Streit beim Spreekanal
Wieviel Ausländerfernsehen braucht Berlin? Von Marcus Rudolph, ADN
Beim Berliner Mischprogramm »Spreekanal« gärt es: Mindestens drei der fast 30 Anbieter von Fernsehsendungen im gemeinsamen Kabel 10 haben Probleme mit dem neuen Sendeschema, das ab 1998 gelten soll.
Besonders umstritten ist dabei die knappe Mehrheitsentscheidung der jüngsten Spreekanal-Versammlung, den drei lizenzierten türkischen Programmen nur zu Beginn der Prime Time von 17.30 bis 19.30 Uhr zusammen zwei Stunden einzuräumen. Den Rest der von der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB) genehmigten Sendezeiten von täglich einer Stunde sollen Aypa TV, Yol-TV und TFD außerhalb des »türkischen Blocks« nehmen - oder darauf verzichten.
Das aber lehnen die drei Anbieter un-
ter Hinweis auf wirtschaftliche Nachteile ab. Andere Anbieter monierten, daß ihnen die Werbekunden davonliefen, weil ihre Sendungen »mittenmang von Ausländern« plaziert seien. Kompromißangebote der drei Betroffenen, verstärkt in Deutsch zu senden, wurden vom Tisch gewischt: Nicht die Sprache, sondern »deutsche Inhalte, Kultur und entsprechendes Gedankengut« zähle.
Aypa TV, das sich selbst als »deutschtürkischer Berlin-Spiegel« bezeichnet, hat bei der MABB Beschwerde eingelegt und Klärung gefordert. Beim vordergründigen Streit um den Spreekanal schwingt im Hintergrund die Frage mit: Wieviel und welches regionale Ausländerfernsehen braucht die Metropole Berlin? Während sich beim Spreekanal sowie dem werbefreien und von der MABB finanzierten Offenen Kanal (OKB) die fremdsprachigen regionalen Kleinanbieter drängeln, strahlt TD1 in Türkisch al-
lein auf dem gesetzlich für alle Minderheiten in Berlin vorgesehenen Kanal E 3 sein Programm aus.
Außer zwei bis vier Stunden Regionalem wird die Zeit vor allem mit Zulieferungen aus der Türkei gefüllt - Fensterlösungen anderer Anbieter für die insgesamt 140 000 Türken in Berlin scheiterten bisher. Der türkische Staatssender TRT International muß sich deshalb mit dem amerikanischen NBC den Sonderkanal 19 teilen und ist nur in fünf der 23 Berliner Stadtbezirke eingespeist. Zwar können außer NBC und TRT als fremdsprachige Programme noch CNN und das britische BBC World in den 1,4 Millionen Kabelhaushalten Berlins empfangen werden. Doch sie bieten kaum Regionalberichte für die über 430 000 Berliner, die eine andere Muttersprache sprechen.
Wie wär's, wenn sich kreative Übergangslösungen für das verstopfte Kabelnetz finden lassen, bis sich die digitale Vielfalt mit ihren hunderten Programmen einstellt, fragen die Programmacher Ein Berliner Multikulti-TV wäre ein sinnvolles Pendant zum SFB/ORB-Radio Multikulti. Und es würde der Realität in der deutschen Hauptstadt Rechnung tragen, die gern Weltstadt sein will.
Wir behalten den Überblick!
Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.