Die Dinge des (Still-)Lebens

Gratulation für Siegfried Krepp, Bildhauer und Maler

  • Peter H. Feist
  • Lesedauer: 3 Min.
Morgen, am 75. Geburtstag von Siegfried Krepp, wird eine Ausstellung eröffnet, die endlich einmal wieder etwas von seinem Schaffen sehen lässt. In der Berliner Marienkirche zeigt der Kunstdienst der Evangelischen Kirche eine kleine Auswahl neuester Arbeiten. Seit einigen Jahren bevorzugt Krepp Holz für seine Bildhauerei und hat außerdem nach über dreißig Jahren das Malen wieder aufgenommen. Seine Stadtlandschaften der frühen 60er Jahre, die er noch im Atelier hat, lassen keinen Zweifel, dass er einen guten Platz in der so genannten Berliner Schule der Malerei, die sich damals zusammenfand, behalten hätte. Er wurde aber Bildhauer, von dessen besonderer Fähigkeit zur Reliefplastik vor allem die große doppelseitige Tafel zum Spanienkämpfer-Denkmal im Berliner Friedrichshain oder gut zehn Jahre später die »Versöhnungstür« am Berliner Dom zeugen. Ein paar Jahre hatte er auch einen Lehrauftrag für Reliefgestaltung an der Hochschule in Berlin-Weißensee. Figuren aus einem Baumstamm heraus zu sägen und zu schlagen, verlangt andere Formen als die Modellierung, die schließlich zum Guss in Bronze führt. Krepp war und ist immer darauf aus, sorgsam zu prüfen, was eine Form jeweils an Speziellem hergibt, um seiner Überzeugung vom Sinn von Kunst für das Leben seiner Mitmenschen gerecht werden zu können. Das gibt seinem bisherigen Lebenswerk eine innere Einheit. Die lauten Verkündungen sind so wenig seine Sache wie die geschäftstüchtigen Eitelkeiten. Genau beobachtend und gründlich nachdenkend nimmt er Anteil daran, was Menschen einander antun und wie sie dem in Würde standhalten. Dazu reichen ihm die Motive von nackten Körpern aus. Er setzt darauf, dass es Betrachtern aufgeht, wie sich verschiedene Bedeutungsebenen eröffnen können. So wie die »Ringenden«, ein Motiv, das er in den 70er und 80er Jahren in jedes Mal überzeugenden Kompositionen variierte, ebensowohl sportlichen Wettkampf wie individuelle Gegnerschaft und globale Systemauseinandersetzung assoziieren lassen, meinen auch die ruhig stehenden Figuren oder Torsi mehrerlei. Deswegen vermeidet es Krepp auch lieber, mit einem Werktitel das Verständnis zu steuern. Das gilt besonders für seine neuen Gemälde. Die fest umrissenen, mit einer gewissen Wucht hingestellten Dinge der Stillleben, die die Hand eines Bildhauers verraten, müssen in ihrer Bedeutung als Markierungen einer bestimmten Lebenswelt erst erschlossen werden. In dem großen Bild »Atelierecke« verknüpften sich Krepps Arbeitsbereiche. Er gibt acht seiner teilweise noch in Arbeit befindlichen Holzskulpturen, von denen einige jetzt in der Ausstellung zu sehen sind, in anscheinend zufälliger Zusammenstellung wieder, sehr blockhaft, in hellen Holzfarbtönen. Das ist Hinweis auf eigenes Schaffen, autobiografisches Dokument und ruft zugleich unweigerlich auch die Erinnerung an Bilder einer schrecklichen Realität herauf, die wir längst im Bewusstsein gespeichert haben: Nackte, todgeweihte Opfer, zur Vernichtung zusammengedrängt. Siegfried Krepp, geboren in Lauchhammer, gelernter Maschinenschlosser, Student von Worner, Salden, Drake und Grzimek, Meisterschüler bei Cremer, seit 1969 in Berlin-Weißensee lebend, formt überzeugend mit am Menschenbild unserer Zeit. Seine starke Begabung zum psychologisch eindringlichen Porträt wird neuerdings so wenig genutzt wie die zum weltdeutend erzählenden, baugebundenen Relief. Aber der zurückhaltende, wortkarge, scharfsinnige Beobachter hat uns noch viel mitzugeben! Holzplastik und Malerei, Berlin-Mitte, Marienkapelle der St. Marienkirche, Karl-Liebknecht-Str. 8, bis 28.7., tägl. 13-17.30 Uhr.

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