PLATTENBAU

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Manche Tonkünstler sind einflussreicher als andere. Sie sind Maßstab. Kompositionen werden mit denen der Beatles verglichen, Stimmen haben manchmal die Kraft von Tom Jones, und niemand sollte Soul machen, wenn er den Vergleich mit Ray Charles scheut. Und es gibt Musiker, die stehen da irgendwie drüber: »Versuch erst gar nicht, so zu klingen wie ...« Stevie Wonder ist Vorbild für viele. Aber keiner klingt wie er. Wenn man meint, irgendetwas würde irgendwie nach Stevie Wonder klingen, dann hat Stevie Wonder da auch seine Finger mit im Spiel. Höchste Zeit, dass er mit »A Time To Love« ein neues Album aufgenommen hat. Zum Beispiel die Mundharmonika klingt nur bei ihm so, wie auf »Sweetest Somebody I Know«. Der glasklare Ton, die bejahende Melodieführung im Solo, die die Grenze zum Kitsch gerade nicht überschreitet, und diese eigenwillige Soundbearbeitung - das ist Stevie Wonder. Dann diese unverkennbare Gesangsstimme. Allein sie schon erzeugt eine spezifische Atmosphäre, weshalb Mr. Wonder auch als Duettpartner hoch im Kurs steht. Vier Gesangsduette finden sich auch auf dem neuen Album, hervorzuheben die mit Kim Burrell und mit India Arie. Weitere Gäste zum Beispiel Bonnie Raitt, Prince und Paul McCartney als Gitarristen. Allerdings: Einzig Prince kann der Single-Auskopplung »So What The Fuss« seinen Stempel aufdrücken - ohne jedoch dem tief groovenden Stück die Wondersche Stilprägung zu nehmen. Damit kommt man zum theoretischen Teil beim musikalischen Rätsel Stevie Wonder: Komposition, Arrangement und Produktion. Kein Stück auf der neuen Platte, bei dem man nicht nach drei Takten erkennen würde, mit wem man es zu tun hat. Akkordfolgen, die sich zuallererst an der Gesangsführung orientieren, Instrumentierungen, die am klassischen Arrangement vorbeigehen, Gesangsintros, mit denen unmittelbar aus dem Nichts auf den Punkt gekommen wird und diese eigentümlichen Unisono-Passagen von Stimme und Stimme oder zweitem Instrument - all das hat man das letzte Mal wahrscheinlich auf einem Stevie Wonder-Album gehört. »A Time To Love« ist frisch, neu und extrem abwechslungsreich. Jazzige Soulnummern gehen in Liebesschnulzen über, schwitzende Tanzfeger geben hoffnungsschwangeren Bluesballaden die Hand. Das Ganze wird durch das neunminütige Titelstück gekrönt, das in einem, sich auf wiederholenden chromatischen Akkorden stützenden Jam-Teil ausklingt, in bester 70er-Soul-Tradition. - Man kann jedem Soul-Musiker nur raten: »Versuchs erst gar nicht ...« Carloff Wiltner
Stevie Wonder: »A Time To Love« (Motown/Universal)

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