Charme und Mutterwitz

UNDA HÖRNER erzählt vom Leben an der Spree und an der Seine

  • Monika Melchert
  • Lesedauer: 3 Min.

Stellen Sie sich eine Pariser Concierge vor in ihrer Pförtnerloge unten in den eleganten fünfstöckigen Immeubles, und dazu die traditionelle Berliner Hauswartsfrau mit Schürze und Scheuereimer - da haben Sie treffende Pendants für Berlin und Paris, wenn auch nicht frei von Klischees. Zwei total unterschiedliche Städte - da überraschen immer wieder die Gemeinsamkeiten, die die Autorin Unda Hörner findet. Berlin-Bewohnerin und Paris-Kennerin, bewegt sie sich in zwölf Kapiteln durch Geschichte und Gegenwart der beiden europäischen Metropolen, die an Flüssen liegen und ihren Ur-Siedlungskern jeweils auf einer Insel hatten. Während die französische Hauptstadt einheitlich und organisch von innen her gewachsen ist, besteht Berlin im Grunde aus lauter Dörfern, die erst in den letzten beiden Jahrhunderten, »stückweise«, zu jenem riesigen Stadtstaat verbunden wurden. Der Unterscheidung der Pariser Flussufer, Rive Gauche und Rive Droite, entspricht in Berlin letztlich auch die Trennung des reicheren Westens und des ärmeren, industrialisierten Ostens.

Mit leichter Hand und nicht ohne Humor nimmt die Autorin ihre Leser auf einem Streifzug mit durch Prachtstraßen und schäbige Viertel, die Métro und die S-Bahn, durch Parks und Schlösser, die Kaufhäuser Galeries Lafayette und KaDeWe. Glanzlichter und abseits gelegene Eigenarten laden zum genaueren Betrachten ein. Und nicht zuletzt die großen Museen ...

Unda Hörner kennt sich aus. Viele Gegensätze und noch mehr Verbindendes kann sie resümieren. Auch Momente, als beide Städte beinahe zu Feinden wurden: Als Napoleon die Quadriga auf dem Brandenburger Tor abbauen und nach Paris verfrachten ließ, war das ein bedeutungsschweres Zeichen, wer hier über wen triumphiert. Dass sie schließlich nie, wie geplant, den Arc de Triomphe krönte, sondern zurückkehrte an ihren Ursprung, ist auch ein Garant dauernder Verbundenheit.

Einen liebevollen Blick wirft die Autorin auf historische Persönlichkeiten, zu deren Lebensraum beide Städte gehörten, wie etwa der Flaneur Franz Hessel oder der Philosoph Walter Benjamin. Der Dichter Heinrich Heine ist einer der prominentesten unter ihnen. Als Student noch keck Unter den Linden den schönen preußischen Fräuleins nachstellend, fiel sein Blick aus der Pariser Matratzengruft am Ende auf die prächtigen Champs-Élysées. An Vielfalt und Schönheit der zahllosen Brücken über Spree und Seine können es beide Städte miteinander aufnehmen. Nicht aber, was die wunderbaren großen Boulevards anbelangt. Hier hat Baron Haussmann im 19. Jahrhundert mit der städtebaulichen Erneuerung von Paris ganze Arbeit geleistet und deren Charakter bis heute geprägt: Die Stadt der Sichtachsen und großartigen Perspektiven.

Doch Gerechtigkeit lässt die Autorin auch dem Berliner Stadtbaumeister James Hobrecht angedeihen, der um dieselbe Zeit mit allen Mitteln bestrebt war, Berlin zu modernisieren, indem er beispielsweise die Kanalisation bauen ließ. Leider kommt der Osten der Stadt gegenüber dem alten Westberlin kaum vor. Der Fokus liegt auf Wannsee, Grunewald, Funkturm, Schloss Charlotten-burg ... Auch das eine Frage der Perspektive. Verführerisch aber ist die Zusammenschau von Pariser Charme und Berliner Mutterwitz allemal.

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