Zehntausende Griechen demonstrieren gegen Merkel

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Athen (dpa) - Höchste Alarmstufe in Athen: Zehntausende Griechen haben am Dienstag gegen den Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel und den Sparkurs der griechischen Regierung protestiert. Das Regierungsviertel sowie die Zufahrtsstrecke wurden abgesperrt, rund 7000 Polizisten waren im Einsatz.

Mehrere diffamierende und beleidigende Plakate mit Nazi-Vergleichen waren bei zwei Protestkundgebungen zu sehen. Einige Demonstranten trugen SS- und Wehrmachtsuniformen, mehrere Hakenkreuzfahnen wurden verbrannt. Zu gewalttätigen Ausschreitungen kam es aber zunächst nicht. Das Staatsfernsehen berichtete allerdings schon am Vormittag über erste Festnahmen.

Merkel traf am Mittag am Athener Flughafen ein und wurde dort von Ministerpräsident Antonis Samaras mit militärischen Ehren empfangen. Die Autobahn vom Flughafen in die Innenstadt wurde für die Kolonne der Kanzlerin in Fahrtrichtung gesperrt.

In der Innenstadt formierte sich zu diesem Zeitpunkt schon massiver Protest. Auf dem Platz vor dem Parlament versammelten sich nach ersten Schätzungen der Polizei rund 30 000 Menschen. Sie protestieren gegen das harte Sparprogramm und machten zum Teil Merkel verantwortlich für die Arbeitslosigkeit und das Schrumpfen der griechischen Wirtschaft.

Auch auf dem zentralen Omonia Platz kamen mehrere tausend Anhänger der Kommunistischen Partei (KKE) zu einer Demonstration zusammen. «Jetzt Volksaufstand gegen die Sparpolitik», skandierten sie. Das Staatsfernsehen NET berichtete über erste Festnahmen von rund zwei Dutzend verdächtig erscheinenden Jugendlichen.

Einige Demonstranten trugen Transparente mit dem Spruch «Frau Merkel - get out» («Frau Merkel - hau ab»). Auch Plakate mit beleidigenden und diffamierenden Aufschriften waren zu sehen: «Raus aus unserem Land, du Schlampe» oder «Tochter Hitlers, raus aus Griechenland und kein Viertes Reich». Zwei Griechen fuhren in der Menschenmenge vor dem Parlament mit einem Geländefahrzeug vor. Sie hatten sich als Wehrmachtssoldaten verkleidet und riefen «Merkel raus».

Wie schon bei einer Demonstration am Vorabend trugen linke Demonstranten ein großes Transparent mit der deutschen Fahne und einem abgeänderten Vers von Bertolt Brecht: «Angela weine nicht. Da ist nichts im Schrank, was zu holen wäre.»

Linken-Chef Bernd Riexinger wollte auf einer der Demonstrationen als Redner auftreten und verteidigte die Proteste. «Merkels Besuch verschärft die Konflikte, weil sie keine Alternative zu ihrer gescheiterten Politik mitbringt», sagte er der Nachrichtenagentur dpa. «Ich nehme an der Demonstration teil, um ein Signal für gewaltfreien Widerstand gegen eine falsche Politik zu setzen.»

Die Diffamierung Merkels als Nazi verurteilte er allerdings auf «Phoenix»: «Das ist natürlich eine Entgleisung.» Riexinger hatte seinen Griechenland-Besuch schon lange vor Bekanntgabe der Merkel-Reise geplant.

Der CDU-Europapolitiker Gunther Krichbaum warf dem Linken-Chef vor, die Proteste in Athen durch seine Teilnahme anzuheizen. «Dass er sich hier an Demonstrationen beteiligt, gewissermaßen da auch Öl ins Feuer gießt, das ist schon wirklich skandalös», sagte Krichbaum im Deutschlandfunk.

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