Vier Jahre Haft für »waghalsige Person«

Spanischer Jungpolitiker Carromero in Kuba als Verursacher des Todes zweier Menschen verurteilt

  • Leo Burghardt, Havanna
  • Lesedauer: 3 Min.
Ein Gericht auf Kuba hat den spanischen Politiker Ángel Carromero zu vier Jahren Gefängnis verurteilt. Dem 27-Jährigen wurde die Schuld an dem Autounfall gegeben, bei dem am 22. Juli zwei Menschen ums Leben kamen, darunter der bekannte Systemkritiker Oswaldo Payá.

»Wir haben es hier mit einer waghalsigen Person zu tun«, hatte Staatsanwältin Bárzaga während des Prozesses gegen den Vizechef der Jugendorganisation der spanischen Regierungspartei Partido Popular, Ángel Carromero, festgestellt. Carromero saß am 22. Juli hinter dem Lenkrad eines Mietwagens der Firma Cubacar, den er mit überhöhter Geschwindigkeit unweit der ostkubanischen Provinzhauptstadt Bayamo 65 Meter weit in ein Stück Straße steuerte, das infolge von Bauarbeiten nur mit Split abgedeckt war. Er hatte das Warnschild übersehen, bremste zu spät und riss das Lenkrad zu abrupt herum, so dass der Wagen mit voller Wucht gegen einen Baum prallte. Der kubanische Sacharow-Preisträger Oswaldo Payá und ein anderer Regierungskritiker, Harold Cepero, kamen ums Leben. Carromero und sein Beifahrer Jens Aron Modig, Führer einer christlichen Jugendliga in Schweden, trugen leichte Verletzungen davon. Beide waren als Touristen eingereist, wollten jedoch kubanischen Systemgegnern Propagandamaterial und 4000 Euro überbringen. Sie verstießen damit gleich zweimal gegen Kubas Gesetze. Aber das spielte im Prozess - Modig konnte schon wenige Tage nach dem Unglück ausreisen - keine Rolle.

Der Schwede hatte allerdings ebenso wie der Spanier in einer Pressekonferenz die Version der Payá-Familie dementiert, dass ein »unbekanntes« Fahrzeug den Mietwagen von der Straße gedrängt habe. Drei Tatortzeugen widersprachen ebenfalls. Selbst aus tragischen Situationen versuchen manche eben, politisches Kapital herauszuschlagen. Deshalb war auch die prominente regierungsfeindliche Bloggerin Yoani Sánchez angereist, um - so der regierungsfreundliche Blogger Yohandri Fontana - »mit einer Show den normalen Verlauf des Prozesses zu stören«. Sánchez wurde von der Polizei gestoppt und musste umkehren. So erlebte der spanische Generalkonsul Tomás Rodriguéz Pantoja »ein korrektes, sauberes, prozessual einwandfreies« Verfahren. Er lobte die Verteidigerin und dankte den Behörden »für ihren fairen Umgang mit Herrn Carromero«. Das ließ ihn hoffen, dass das Strafmaß unter den von der Staatsanwältin geforderten sieben Jahren bleiben werde.

Acht Zeugen und drei Sachverständige sagten über den technischen Zustand des Mietwagens (der Hyundai war zwei Jahre alt und in Schuss), die Sichtbarkeit des Warnschildes (gut, wenn man nicht zu schnell fuhr) und die Geschwindigkeit aus, mit der Carromero in die Gefahrenzone preschte (80 bis 90 km/h, laut Zeugen »sehr schnell«). Dem Gericht lag ein Dokument der Verkehrsbehörde der spanischen Stadt Cuenca vor, demzufolge Carromero im Januar 2010 wegen Geschwindigkeitsüberschreitung 520 Euro Strafe zahlen musste. Die Buße fällt so hoch nur aus, wenn der Fahrer die erlaubte Geschwindigkeit um das Doppelte überschreitet. 55 mal musste der Spanier Bußgeld für Verkehrsübertretungen zahlen. Darum ist in Spanien gegen ihn ein Verfahren wegen »Häufung von Verkehrsdelikten« anhängig. Im August sei seine Fahrerlaubnis - laut AFP aus Madrid - bereits vorübergehend kassiert worden.

Am 22. Juli legte er die 800 Kilometer von Havanna bis zum Unglücksort mit drei Pausen in knapp acht Stunden zurück. Und Kubas Straßen sind nicht danach, eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 120 km/h durchzuhalten. Carromero muss also streckenweise noch schneller gerast sein. Als der Hyundai gegen einen Baum stieß, hinterließ der Aufprall eine 67 Zentimeter tiefe Einbuchtung dort, wo Payá saß, der sofort tot war.

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