»Todesstrecke« für Frieden?

Halil Savda ist Kurde und marschierte für den Frieden durch die Türkei

  • Birgit Gärtner
  • Lesedauer: 3 Min.

nd: Die ca. 1300 Kilometer lange Strecke, die Sie für Ihren Friedenslauf gewählt hatten, endete kürzlich in Ankara. Sie nannten den Weg »Todesstrecke«. Warum?
Savda: In den kurdischen Gebieten herrscht seit fast 30 Jahren Krieg. In Roboskî, dem Ort in der Region Şirnak im Länderdreieck Türkei-Irak-Syrien, wo ich am 1. September gestartet bin, wurden Ende Dezember 2011 bei einem Luftangriff der türkischen Armee 34 Menschen, vorwiegend Kinder und Jugendliche, ermordet. Insgesamt kamen bisher mehr als 30 000 Menschen in diesem Krieg ums Leben. Die Grenze zu Syrien verläuft in den kurdischen Gebieten, die Anzahl der Opfer würde steigen, wenn es zu einem Krieg gegen Syrien käme. Aber nicht nur kurdische Mütter weinen an den Gräbern ihrer gefallenen Kinder, sondern auch Mütter türkischer Soldaten. Es ist an der Zeit, dass dieses Massenmorden endlich ein Ende findet.

1300 Kilometer, das ist ein echter Gewaltmarsch. Waren Sie allein unterwegs?
Gestartet bin ich mit einem Friedensaktivisten, der mich ein Stück begleitet hat. In Ankara angekommen, wartete eine Gruppe von ca. 20 Personen. Unterwegs trafen wir Ismail Atay, der am 3. Juni in Köln gestartet ist, zu Fuß bis zu seinem Heimatort in Kurdistan.

Wie war die Reaktion der Bevölkerung in den Orten, die Sie passierten?
Eigentlich wurden wir überall herzlich empfangen, auch nachdem wir die kurdischen Gebiete verlassen hatten. In der Westtürkei trafen wir auch Familien von gefallenen Soldaten. Allerdings hatten die Behörden mancherorts Probleme mit unserer Aktion.

Inwiefern?
Als wir die Provinz Osmaniye am Mittelmeer erreichten, ließ uns der Gouverneur Celalettin Cerrah per Polizeigewalt sozusagen abfangen und in die nächste angrenzende Provinz Adana abschieben. Das hat uns nicht wirklich verwundert, Cerrah war früher Polizeichef von Istanbul, in seiner Amtszeit wurde munter gefoltert. Außerdem steht er in dem Verdacht, in den Mordfall Hrant Dink verwickelt zu sein. Jedenfalls beantragte die Anwältin der Familie Dink, dass gegen ihn ermittelt werden soll. In Osmaniye lebt außerdem Devlet Bahceli, der Vorsitzende der faschistischen Partei MHP. Aber wir haben auch positive Erfahrungen gemacht, mancherorts wurden wir von sozialdemokratischen Bürgermeistern empfangen.

Haben Sie mit Zuspruch gerechnet?
Darauf habe ich gehofft, sicher war ich mir nicht. Möglich wäre auch gewesen, dass ich wieder inhaftiert worden wäre. Zwei Drittel der Bevölkerung sprechen sich laut Umfragen gegen einen Krieg mit Syrien aus. Das heißt, es gibt eine große Friedenssehnsucht in der türkischen Gesellschaft. Es wäre schön, wenn unsere Aktion dazu beitragen könnte, diesen Friedenswillen auch in Bezug auf den Krieg in Kurdistan zu stärken.

Nach knapp zwei Monaten haben Sie Ankara erreicht. Was passierte dort?
In Ankara gibt es eine starke Unterstützergruppe, die unsere Ankunft vorbereitet hatte. Es gab ein Friedenskonzert und wir haben unsere Forderungen, adressiert an die türkische Regierung, auf einer Pressekonferenz vorgetragen.


Fragen: Birgit Gärtner

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.