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Das Interessanteste fehlt

Ambitionierte Studie zur deutschen Dopinghistorie bleibt im Streit um Geld und Zensur unvollendet

Eine großangelegte Studie sollte die bundesdeutsche Dopinggeschichte untersuchen. Gestern vorgestellte Teilergebnisse Münsteraner Forscher interessieren nur am Rande.

Wenn wissenschaftliche Studien vorgestellt werden, gibt es meist viele Zahlen zu hören. Etwas anders verläuft die gestrige Ergebnispräsentation nach der Erforschung des »Doping von 1950 bis heute« in Berlin. Denn in den Worten von Jürgen Fischer, Direktor des Bundesinstituts für Sportwissenschaften (BISp), nehmen Querelen mit Historikern einen breiten Raum ein. Die Ergebnisse der Studie drohen im Streit um Finanzierung und Veröffentlichungspraktiken unterzugehen.

Fischer bedauert das Ausscheiden der Berliner Forscher aus dem Projekt, sieht die Schuld dafür aber ausschließlich bei der Humboldt-Universität und den Wissenschaftlern. Vorwürfe über etwaige Unterfinanzierung oder gar Zensur weist er von sich. Schwärzungen in Berichten würde es nicht geben. »Mir fällt nichts ein, was wir besser hätten machen können«, sagt Fischer.

Gegen die vom vom Deutschen Olympischen Sportbund initiierte und mit etwa 550 000 Euro vom BISp geförderte Studie gab es bereits im Vorfeld gewichtige Einwände: Neue Erkenntnisse könne es gar nicht geben, die Fakten seien längst bekannt, hieß es einerseits. Prof. Dr. Gerhard Treutlein lehnte die Mitarbeit aus einem anderen Grund ab: Er warf eben jenem BISp vor, in der Vergangenheit Anträge im Bereich der Dopingforschung abgelehnt, sowie Erkenntnisse ignoriert zu haben.

Trotz allem beginnen zwei Forschergruppen im Jahr 2009 ihre Arbeit. Wissenschaftler aus Münster um Prof. Dr. Michael Krüger beschäftigen sich mit dem »Verhältnis von Staat und Sport« und dem »Öffentlichen Diskurs zum Doping«. Eine zweite Gruppe arbeitet in Berlin unter Prof. Dr. Hanno Strang zu den »Stationen des Dopings in Deutschland« und der »Rechtlichen und ethischen Reflexion des Dopings«.

Im Oktober 2010 werden erste Ergebnisse vorgestellt. Bis 1970 stellte demnach Doping in der BRD zwar kein öffentliches Thema dar, wurde aber weitläufig praktiziert. Getreu der Prämisse: »Was machbar ist, machen wir auch!« Ein breites Netzwerk von Ärzten, Apothekern und Athleten agierte völlig frei von ethischer oder juristischer Reflexion, so Giselher Spitzer, einer der Berliner Forscher.

Die sportwissenschaftliche Beschäftigung mit dem Thema beginnt erst 1970 mit der Gründung des BISp. Doch es ging nicht um die Bekämpfung von Doping. Die Anwendung von Anabolika sollte vielmehr wissenschaftlich begründet werden. Die Berliner Forscher sprechen nun von »staatlich subventionierter Anabolikaforschung«. Ärzte wie Wildor Hollmann, Herbert Reindell und Joseph Keul bestimmen selbst, wer für welche Projekte in Freiburg und Köln wie viel Geld bekommt. Das BISp nickte ab. Studien, die sich kritisch zu den Folgen äußerten, wurden »nicht angemessen kommuniziert«, heißt es. Die Athleten sollten mit denen aus den Ostblockstaaten mithalten, die gleichen Bedingungen erhalten.

Das BISp als staatlicher Financier von Dopingforschung? Starke Vorwürfe, jedoch vielfach belegt durch die Berliner Forscher. Jürgen Fischer erklärt 2011 schnell, dass sich sein Institut »kritisch mit der Vergangenheit auseinandersetze«, aus der Vergangenheit Lehren gezogen habe.

Nun folgt der Zeitraum seit der Wiedervereinigung, präsentiert ausschließlich von Münsteraner Forschern. Sie wollten eine »Mentalitätsgeschichte des Dopings« bis heute aufzeigen, basierend auf Zeitschriftenanalysen. Auf Zeitzeugenbefragungen verzichteten sie aber in Absprache mit den Berliner Forschern. Neue Erkenntnisse gibt es nicht. So rückten erneut die Fragen zum Ausscheiden der Berliner Forscher in den Vordergrund. Die Diskussion verliert sich in Details zu Projektzeiträumen und Ausschreibungen.

Die Frage einer ehemaligen Athletin, welches Signal von diesem Bericht ausgehe, wenn noch immer dopingbelastete Trainer in hohen Funktionen der Sportverbände verbleiben könnten, geht darin fast unter. Ein grundlegendes Dilemma: Wenn nur Strukturen untersucht werden sollen, ohne dabei personelle Konsequenzen zu ziehen, bleibt letztlich alles beim Alten.

Doping in Deutschland - das ambitionierte Projekt geht im Kleinkrieg zwischen Forschern und BISp unter. Prof. Treutlein sieht sich betätigt. »Die Teile passten von Anfang nicht zusammen. Die Ergebnisse der Berliner Forscher seit 1990 sind die eigentlich interessanten.« Ausgerechnet die wurden gestern nicht präsentiert.

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