Florenz: ein neuer Versuch unter neuen Bedingungen

Zehn Jahre nach dem ersten Europäischen Sozialforum findet eine Konferenz zur Vernetzung des sozialen Widerstands statt

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Für viele wird es ein vertrauter Ort sein, diese Fortezza da Basso im Herzen des schönen Florenz. In diesem wehrhaften Gemäuer aus dem 16. Jahrhundert fand vor genau zehn Jahren das erste europäische Sozialforum statt. Etwa 40 000 Menschen aus ganz Europa diskutierten im Geiste des Weltsozialforums von Porto Alegre Perspektiven für »eine andere Welt jenseits von Kapitalismus und Krieg«. Das Forum war geprägt vom bevorstehenden Angriff auf den Irak und inspirierte weltweit die Massendemonstrationen gegen diesen Krieg. Die große Krise kündigte sich erst als dunkler Schatten am politischen Horizont an, dennoch schien sich hier in dieser Renaissance-Festung der Erfolg versprechende Kern einer sozialen Widerstandsfront gegen das unheilvolle Bündnis aus Konzernen, Finanzmarkt- und EU-Institutionen zu formieren.

Zehn Jahre später leben wir in der Wirklichkeit dieser Krise, die unterschiedlich schmerzhaft in den europäischen Regionen das Dasein der Menschen durchdringt. Doch dieser hoffnungsvolle Akteur von der politischen Bühne des Jahres 2002 führt allenfalls eine Schattenexistenz. Mit gewaltigen Protestaktionen setzen sich die Opfer zur Wehr. In Athen, Madrid, Rom, Paris und Lissabon gehen sie zu Hunderttausenden auf die Straße. Auch in London und Frankfurt am Main artikuliert sich ernsthafter Widerstand. Doch die jeweilige Protestwelle bricht sich an ihrer nationalen Grenze. Die sozialen Bewegungen Europas sind nicht zu der integrierenden Kraft eines europaweiten Widerstands geworden. Von den 40 000 im Jahre 2002 in Florenz blieben 2010 auf dem Europäischen Sozialforum in Istanbul noch 5000 übrig. Der unübersehbare Ausbruch der Krise war 2008 im schwedischen Malmö verschlafen worden.

An diesem Wochenende nun wollen am historischen Ort jedoch unter veränderten Bedingungen mehr als 3000 Menschen einen neuen Versuch unternehmen. Nicht ein Jubiläum soll gefeiert, sondern eine Antwort auf die Krise gefunden und eine gemeinsame Strategie entwickelt werden. Damit könnte eine geeinte Bewegung eine Alternative zu dem Europa der Banken und der Diktatur des Marktes verwirklichen. Dies ist auch der Beweggrund für Attac Deutschland, in Florenz aktiv und mit neuen Ideen dabei zu sein. Die Attac-Kampagne zur Umverteilung des Reichtums ist nur in ihrer europäischen Dimension sinnvoll. Sie lässt sich nur verwirklichen durch eine starke europäische Allianz der sozialen Akteure.

Der neue Anlauf soll mit einer kritischen Reflexion verbunden sein: mit der Frage, warum die einigende, mobilisierende Zielorientierung über Jahre nicht gefunden wurde. Weshalb haben sich große Gewerkschaften wie IG Metall und ver.di zurückgezogen? Werden sich neue Bewegungen wie M15 in Spanien oder Blockupy in Deutschland als belebende und dauerhafte Partner erweisen? Und schließlich: Wird es gelingen, aus diesem vielfältigen, bunten Bündnis voller unterschiedlicher Interessen die politische Kraft zu formieren, die imstande ist, die Köpfe und die Herzen einer breiten Mehrheit in Europa zu erobern?

Die Chancen stehen gut. Ein Vorbereitungsseminar in Mailand hatte neben den Veteranen von 2002 auch neue Aktive aus der Demokratie- und Umweltbewegung versammelt, auch spanische Indignados und deutsche Occupy-Vertreter waren gekommen. Auch der Europäische Gewerkschaftsbund war vertreten, und die Europäische Linkspartei wurde begrüßt, als hätte es nie diese Parteienphobie gegeben. Neue Aktionsformen wurden diskutiert, und die Bereitschaft zum einheitlichen Handeln scheint deutlich gewachsen. Der Versuch könnte gelingen.

Auch Attac Deutschland ist in Florenz mit dabei. Hugo Braun aus dem Attac-Koordinierungskreis ist seit Mittwoch vor Ort. Er gehörte schon zu den Organisatoren des ESF 2002 in Florenz.

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