Von blinden und schwarzen Flecken

Wieder einmal scheitert ein Versuch, Dopingstrukturen in Deutschland aufzudecken

  • Stephan Fischer
  • Lesedauer: 3 Min.

Strahlende Sieger auf der einen, unappetitliche Dopingpraktiken auf der anderen Seite. Abgründe, die sich dazwischen auftun? Mitnichten. Es sind zwei Seiten der gleichen Medaille.

Der Streit um die Dopingstudie geht weiter, wieder einmal ist ein groß angelegter Versuch zur Dopingaufklärung gescheitert. Forscher fühlen sich in ihrer Arbeit behindert, Ergebnisse können nicht veröffentlicht werden. Zweifel sind angebracht, ob die vom DOSB und vom Bundesinstitut für Sportwissenschaft initiierte Studie über Doping von 1950 bis 2008 überhaupt Ergebnisse bringen sollte.

Die Zwischenergebnisse der Studie, die nur auf Betreiben der Forscher in Teilen veröffentlicht worden sind, machten eines deutlich: Die Geschichte des deutschen Leistungssports nach dem Zweiten Weltkrieg ist eine Dopinggeschichte. Doping nach Plan in der DDR, »systemisches Doping« in der BRD, Forschung zum Einsatz von Anabolika gefördert durch das Bundesinstitut für Sportwissenschaften. Ob es sich um bis heute wirkende Strukturen und Personen handelt, bleibt zunächst offen.

Während die Studie bereits lief, wurden rechtliche und vertragliche Hürden eingezogen, die eine Veröffentlichung der Ergebnisse für die Zeit nach 1990 verhindern. Diese Hürden schränken die wissenschaftliche Freiheit massiv ein, verhindern Aufklärung. Die Ergebnisse liegen nicht mehr in den Händen der Forscher.

Was wiegt höher, der Persönlichkeitsschutz von Tätern oder das Interesse an den Zuständen im Sport, welche ohne die Nennung von Namen nicht benannt, geschweige denn verändert werden können? Wann soll dieser blinde Fleck beseitigt werden? Wenn der letzte Beteiligte am bis heute praktizierten Doping verstorben ist?

Einen blinden Fleck anderer Art offenbart der Umgang mit den Ergebnissen ebenfalls. Den Unwillen von Zuschauern und Funktionären, ihr widersprüchliches Verhältnis zum Leistungssport zur Kenntnis zu nehmen, oder gar Konsequenzen daraus zu ziehen. Doping wird öffentlich geächtet und als Betrug gewertet. Leistungen von Athleten aus China oder Russland stehen schnell unter einem Generalverdacht, nur unter Mithilfe systematischen Dopings zustande gekommen zu sein.

Mit diesen Sportlern sollen nun deutsche Athleten auf höchstem Niveau um Medaillen und Rekorde konkurrieren. Aber wie kann dieses Niveau erreicht werden, wenn andere betrügen? Werfen Athleten weiter, laufen sie schneller allein durch das Wissen um die moralische Überlegenheit, nicht gedopt zu haben? Vielleicht. Aber Medaillen würden illusorisch.

Anders als beim Radsport gibt es bisher keinen Generalverdacht gegenüber dem Leistungssport generell. Gedopte Sportler gelten immer noch als bedauerliche Einzelfälle, Medaillen wiegen bisher noch schwerer als die Frage, wie sie zustande kommen. Aber: Wird Aufklärung weiter wie im aktuellen Fall verhindert, werden aus blinden schnell schwarze Flecken, Doping überall dort vermutet, wo es nicht ganz ausgeschlossen werden kann.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -