Schattenkrieger
Uwe Kalbe über Gaucks Umgang mit dem geschichtsträchtigen Datum 9. November
Irgendwie hängt ja alles mit allem zusammen. Nie gibt es schließlich eins von beidem ganz: Gut und Böse, Oben und Unten, Ying und Yang. Jemand wie der Bundespräsident, der qua Amt zum Ausgleich verpflichtet ist, tut gut daran, immer mal wieder daran zu erinnern. Vermutlich folgte Joachim Gauck diesem inneren Auftrag, als er am Freitag den 9. November der Pogromnacht 1938 mit dem 9. November des Jahres 1989 in einen historischen Zusammenhang brachte. Unglück und Glück sind hier das Gaucksche Gedankenpaar.
Das Glück des Mauerfalls beendete für Gauck nicht nur die Existenz der DDR, sondern die dunkle Zeit, die mit der Judenverfolgung begann. Doch Gauck will nicht nur, dass Schüler keinen Unterschied erkennen zwischen DDR und Nazistaat, sondern sie auch vor dem Einfluss des Zweifels an seiner Sicht der Dinge schützen. Schüler von heute sollten keine »konkurrierenden Geschichtserzählungen« verinnerlichen, meint er. Alternative Geschichtserzählungen öffnen den Blick auch auf Gegenwart und Zukunft. Das haben Wahrheitsverkündiger schon immer gefürchtet, nicht nur in Diktaturen. Und gerade Glaubensprediger sind von dieser Schwäche nicht frei. So gesehen könnte Gauck den Zeitstrahl des dunklen Jahrhunderts gut und gerne bis in die Gegenwart verlängern. Wie dunkel der Schatten noch immer ist, kann man außer bei Gauck regelmäßig im Bundestag betrachten, wo alternative Gedanken der LINKEN nur zu gern mit dem Hinweis auf die DDR diffamiert werden.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.