Kolumbianer wollen mitreden

Friedensgespräche vor entscheidender Phase

  • Lesedauer: 3 Min.
Marylén Serna Salinas ist Sprecherin des kolumbianischen Verbandes »Minga Social y Comunitaria«, eines Zusammenschlusses verschiedener Basisbewegungen. Über die derzeitigen Friedensgespräche zwischen Kolumbiens Regierung und der FARC-Guerilla sprach mit ihr in Berlin Harald Neuber.

nd: Kolumbiens Regierung und die FARC-Guerilla sprechen seit Wochen über einen Friedensschluss. Jetzt gehen die Gespräche in Havanna in die entscheidende Phase. Wie lautet Ihre Zwischenbilanz?
Kolumbien: Ich sehe diese Gespräche durchaus mit Hoffnung. Immerhin sollen sie zum Ende des bewaffneten Konflikts führen. Doch sollte die Bevölkerung möglichst weitreichend in diesen Prozess eingebunden werden. Denn sie selbst muss zur Überwindung des sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Konflikts beitragen, unter dem mein Land seit über 50 Jahren leidet. Da ist es ein großer Fortschritt, dass sich zwei Akteure des Konflikts an den Verhandlungstisch setzen und den Weg zu einem Friedensprozess ebnen. Nun ist es wichtig, dass die andere Rebellengruppe, die ELN, in die Gespräche einbezogen wird und dass ein Waffenstillstand folgt, um die Leiden in den betroffenen Regionen des Landes zu lindern.

Präsident Juan Manuel Santos galt lange Zeit als Hardliner. Hat es Sie überrascht, dass
Friedensgespräche gerade unter seiner Regierung aufgenommen werden?
Das war insofern keine Überraschung, als die Regierung Santos das Land für ausländisches Kapital geöffnet hat. Ein Ende des bewaffneten Konflikts ist Voraussetzung dafür, dass multinationale Konzerne in bestimmten Regionen aktiv werden. Aus dem Blickwinkel der Regierung geht es bei den Gesprächen vor allem darum, ein ruhiges Klima für die Umsetzung der Freihandelsabkommen zu schaffen und unsere Ressourcen und Territorien der Ausbeutung anheimzustellen.

Dennoch wird es in Havanna um konkrete Themen gehen, darunter politische und wirtschaftliche Reformen und die Landfrage. Wie kann daraus ein sozialer Wandel werden, der langfristig soziale Gerechtigkeit sichert?
Parallel zum Versuch, den bewaffneten Konflikt zu beenden, müssen Bedingungen und Freiräume geschaffen werden, um ein soziales Projekt zur Debatte zu stellen, in das verschiedene Vorschläge einfließen. Wie kann die Armut überwunden werden? Wie kann dem Verlust der Demokratie begegnet werden? Wie kann der internationalen Intervention im militärischen, wirtschaftlichen und kulturellen Bereich entgegengewirkt werden? Das sind unsere Fragen und deswegen erwarten wir von der Regierung, dass sie die sozialen Bewegungen am Prozess beteiligt. Wir müssen eigene Themen einbringen können.

Dafür werben Sie mit dem Verband »Minga Social y Comunitaria«. Was ist eine »Minga«?
Das Wort steht für ein traditionelles indigenes Konzept der gemeinschaftlichen Arbeit. In unserem Fall geht es um den gemeinschaftlichen Einsatz für die Einheit der sozialen Bewegungen und den Aufbau eines neuen Kolumbiens. In der Minga fließen Positionen zahlreicher Bewegungen zusammen: der Indigenen, der Landarbeiter, von Afrokolumbianern, Frauen, Studierenden, Jugendlichen und Arbeitern, die von einer Zukunft ohne Armut, Gewalt und Ausgrenzung träumen. In Sachen Friedensverhandlungen drängen diese Akteure auf eine politische Lösung des sozialen und bewaffneten Konflikts.

Wie würde sich ein Ende des kolumbianischen Konflikts auf umliegende Staaten auswirken?
Zunächst würden in Kolumbien weniger Mittel für den Krieg ausgegeben, was der Bevölkerung die Chance gäbe, auf ihre sozialen Rechte zu pochen. Die progressiven Regierungen der Region haben dafür in den vergangenen Jahren soziale Standards vorgegeben. Auch die diplomatischen Beziehungen und der Handel mit den Staaten der Region würden sicherlich verbessert.

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