Drei Rechner für jeden
Bundesrechnungshof deckt teures Chaos im Behördenumgang mit Kommunikationstechnik auf
Jährlich gibt der Bund 1,4 Milliarden Euro für Informations- und Kommunikationstechnik aus - manchmal auch völlig ohne Nutzen, wie der Bundesrechnungshof (BRH) festgestellt hat. In dessen »Bemerkungen 2012« nimmt der Bereich IT einen Prüfungsschwerpunkt ein. Dieser bescheinigt in dem aktuellen Bericht behördenübergreifend den mangelhaften Sachverstand der Verantwortlichen.
So gebe es beispielsweise in der Steuerverwaltung der Bund und Länder Defizite im Umgang mit Informationstechnik, auf die man schon seit Jahren hinweisen würde, sagte Rechnungshofpräsident Dieter Engels am Dienstag. Nach dem Scheitern des 400 Millionen-Projekts FISCUS, einer Besteuerungs-Software, sei nun auch dessen Nachfolger KONSENS in Gefahr. 2011 seien dort 75,5 Millionen Euro investiert worden. Der Bundesrechnungshof forderte von den Beteiligten nun einen konkreten Zeit- und Budgetplan.
Beim Bundesversicherungsamt habe sich ebenso wenig verbessert, stellten die Finanzkontrolleure fest. IT-Aufträge über insgesamt 1,8 Millionen Euro wurden nicht ausgeschrieben, aber freihändig vergeben, darunter Einzelaufträge von bis zu 220 000 Euro. Auch würden verschiedene Behörden Sicherheitsstandards nicht einhalten. Bei der Bundeswehr könne man IT-Sicherheitsverstößen nicht nachgehen, weil es keine Dienstvorschriften dazu gibt. Mögliche Schäden müsse dann der Steuerzahler tragen. Genaue Zahlen, wie viel beim Thema IT verschwendet würde, wollte Engels nicht nennen: »Das wäre Kaffeesatz lesen.«
Auch bei IT-Geräten gab es in den Verwaltungen Unregelmäßigkeiten. So verschwanden im Bundesversicherungsamt fast 100 Laptops, deren Verbleib auch auf Nachfrage nicht geklärt werden konnte. Dafür hatten zehn Angestellte eines Referats insgesamt 27 geschäftliche Mobilfunkverträge. Ähnlich sinnfreie Ausgaben wies der BRH der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt nach. Dort kamen auf 1 800 Beschäftigte 4 350 Computer. Dies war auch nicht durch die Forschungsarbeit der Einrichtung zu rechtfertigen, erläuterte Engels.
Bundeswehr und Verkehr seien aber nach wie vor die Ressorts, die am stärksten überprüft werden, ergänzte der BRH-Präsident. Dies liege an der Größenordnung der Ausgaben, die dort getätigt würden. Bei der Bundeswehr sah das Kontrollorgan unter anderem Einsparpotenzial darin, die Medikamentenproduktion an einen privaten Anbieter zu vergeben. So stelle das Militär vor allem Sonnencreme, Lippenschutzstifte und Nasensprays her, die allesamt auf dem Markt zu haben seien. Der BRH sieht dadurch Mehrkosten in Millionenhöhe. Zumal würden nur zehn Prozent der Produkte in Afghanistan und im Kosovo benötigt. Der Rest lagere wahrscheinlich irgendwo, mutmaßte Engels. Für den Neubau einer Produktionsstätte in Ulm gab die Bundeswehr 19,8 Millionen Euro aus.
Der BRH sieht beim Staat allerdings auch Einsparmöglichkeiten bei der Vergabe von Sozialleistungen. So gebe es Überzahlungen bei Leistungen, die vom Bund finanziert, jedoch von den Ländern bewilligt und verwaltet werden. Dies betreffe insbesondere die Unterhaltssicherung von Wehrdienstleistenden, das Wohngeld für Selbstständige sowie das Elterngeld. Bei bis zu einem Drittel der untersuchten Fälle habe die zuständige Behörde mehr als nötig ausgezahlt. Das sei ein strukturell verankertes Problem, da »der eine entscheidet, der andere das Geld zur Verfügung stellt«, erläuterte Engels. Er meinte damit das höhere Interesse, das der Bund im Gegensatz zu den Ländern an einer genauen Abrechnung in diesem Fall hat. Indessen stelle man nicht nur zugunsten der Antragsteller, sondern »in beide Richtungen Fehler fest«, sagte der BRH-Präsident. Im aktuellen Bericht und den Empfehlungen des BRH, die auf Sparmöglichkeiten für den Staat abzielen, ist allerdings nur von den fehlerhaften Mehrzahlungen die Rede. Ob sich die falschen Berechnungen der Sozialleistungen zugunsten und -ungunsten der Antragsteller möglicherweise ausgleichen, blieb offen.
Insgesamt schätzt der Bundesrechnungshof die Summe auf bis zu 1,5 Milliarden Euro, die auf Grund seiner Vorschläge der Staatskasse erhalten geblieben wären. Das Gesamtvolumen der Einsparmöglichkeiten sei jedoch sechs- bis sieben Mal so hoch. Der BRH mahnte die Bundesregierung, Ausgaben noch stärker zu rationalisieren. So wäre mit dem richtigen Ausgabenmanagement schon 2014 eine schwarze Null für den Staatshaushalt möglich gewesen. Die Koalition strebt einen ausgeglichenen Bundesetat für 2016 an. »Dies setzt jedoch voraus, dass die Konjunktur stabil bleibt, die Steuereinnahmen weiter steigen, die Arbeitslosigkeit zurückgeht und das Zinsniveau nicht anzieht«, sagte Engels. In diesem Szenario wären aber weder die Garantien des Bundes zur Eurorettung noch die Beschlüsse der Regierungskoalition berücksichtigt, die noch nicht komplett gegenfinanziert seien.
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