Hoffnung für Irina Chalip

Weltweit wird heute der »Tag des inhaftierten Schriftstellers« begangen

  • Ute Evers
  • Lesedauer: 3 Min.

Wo Irina Chalip am Sonntag im Staatstheater Darmstadt hätte sitzen sollen, stand ein leerer schwarzer Stuhl, das Podest dahinter schmückte eine Urkunde. Die Ausgezeichnete konnte den Hermann Kesten-Preis nicht persönlich entgegennehmen, der seit 1994 alljährlich anlässlich des »Writers-in-Prison-Day« - dem Tag des inhaftierten Schriftstellers - vergeben wird. Denn Irina Chalip steht in Belarus unter Hausarrest.

Die Journalistin und Menschenrechtlerin sei »in ihrem Land so etwas wie das Gesicht der demokratischen Opposition«, so Johano Strasser, Präsident des PEN-Zentrums Deutschland. Chalip, 1967 in Minsk geboren, war Korrespondentin der oppositionellen überregionalen »Nowaja Gaseta« (Neue Zeitung). Die Auszeichung, dotiert mit 10 000 Euro und jeweils zur Hälfte von der Hessischen Landesregierung und von privaten Spendern aufgebracht, geht an sie auch als »Zeichen der Verbundenheit, ein Signal an die demokratische Opposition in Weißrussland«, so der PEN-Präsident. Der Preis ist nach dem Autor Hermann Kesten (1900-1996) benannt, der 1940 vor den Nationalsozialisten in die USA floh und sich dort gemeinsam mit Thomas Mann für die Rettung deutschsprachiger Schriftsteller engagierte.

Frühere Preisträger waren etwa der engagierte Kairoer Verleger Mohamed Hashem im Jahre 2011, der maßgeblich am Volksaufstand gegen Mubarak beteiligt war, 2010 der immer noch inhaftierte chinesische Aktivist und Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo oder 2003 der spanische Jurist Balthasar Garzón, der derzeit die Interessen des WikiLeaks-Gründers Julian Assange vertritt. Auch Initiativen werden mit dem Preis gewürdigt, wie etwa 2004 »Bunt statt Braun«, die sich in Mecklenburg-Vorpommern »dem um sich greifenden Rechtsextremismus entgegenstemmte, während unsere Verfassungsschützer lieber nach linken Extremisten fahndeten und die rechtsextreme NSU gewähren ließ«, bemerkte Strasser.

Thomas Urban, ehemaliger Osteuropakorrespondent der Süddeutschen Zeitung, stellte in seiner Laudatio Irina Chalips Wirken in den Kontext politischer Bewegungen in Belarus, wo viele Hoffnungen auf Demokratisierung durch eine »Rückkehr zum Kommandosystem« enttäuscht wurden und »Kritik am Präsidenten zum Straftatsbestand wurde.«

Chalip habe nicht aufgegeben, die Politik Lukaschenkos in Frage zu stellen. Schon bei der vorigen Präsidentschaftswahl am 19. Dezember 2010 hatte sie mit ihrem Ehemann Andrej Sannikau an einer Demonstration gegen mutmaßliche Wahlfälschungen teilgenommen. Beide kamen dafür vor Gericht. Andrej Sannikau, der auch als Gegenkandidat in den Präsidentschaftswahlen auftrat, musste seine fünfjährige Haftstrafe sofort antreten. (Ende Oktober erhielt er nun politisches Asyl in Großbritannien.) Nach anhaltenden Protesten wurde Irina Chalips zweijährige Haftstrafe so lange aufgeschoben, bis ihr Sohn schulpflichtig wird. Da ist der Hermann Kesten-Preis für sie weit mehr als nur eine Ehre. Sie wäre nicht die erste, der die internationale Aufmerksamkeit auch insofern zugute kommt, dass sie ihnen in ihrer Lage Erleichterung bringt. Durch Ehrenmitgliedschaften und Auszeichnungen hat die internationale Autorenorganistion PEN schon manchen Autor freigekämpft.

Höhepunkt des Abends war eine Zuschaltung der Preisträgerin via Skype. Auf der Leinwand der Bühne der Kammerspiele erschien die sichtlich bewegte junge Frau. In ihrer Dankesrede betonte sie die besondere Rolle des gedruckten Wortes in ihrem Leben. »Das Wort ist unsterblich. Journalisten kann man ermorden, doch die Worte werden bleiben.«

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