Gas gegeben
Stadtwerke nutzen für ihre Fahrzeugflotte vermehrt alternative Kraftstoffe - zum Beispiel in Göttingen
Ende der 1990er Jahre senkte die Bundesregierung den Mineralölsteuersatz für Erdgas-Kraftstoffe. Die Göttinger Stadtwerke reagierten und nahmen 2001 ihre erste öffentliche Erdgastankstelle mit zwei Zapfpunkten in der Kasseler Landstraße in Betrieb. Fortan stieg in der Universitätsstadt die Nachfrage nach alternativem Erdgas-Kraftstoff.
Seit 2006 hält eine weitere Zapfsäule der Göttinger Stadtwerke Erdgas vor. Die Säule steht auf dem Gelände einer Tankstelle in der Hannoverschen Straße. Die Investitionen in beide Tankstellen betrugen rund 600 000 Euro. »Rund 70 Prozent unserer Fahrzeugflotte besteht aus Erdgasfahrzeugen«, sagt Stadtwerke-Pressesprecher Klaus Plaisir. Durch Zertifikate stellen die Stadtwerke sicher, dass ihr Erdgas klimaneutral angeboten wird. Die Stadtwerke unterstützen Klimaschutzprojekte in Indien, Ghana und Brasilien. Im Jahr 1993 starteten die Stadtwerke Mainz ein Pilotprojekt zur Nutzung von Erdgas im öffentlichen Personennahverkehr. Auch die Baseler Verkehrsbetreibe setzten Mitte der 1990er Jahre als Pilotprojekt zwölf Erdgasbusse im Linienverkehr ein.
Bislang 900 Tankstellen
Ihre guten Erfahrungen fanden schnell Nachahmer. Laut Eigenangaben wurde bei der Verkehrs-Aktiengesellschaft (VAG) in Nürnberg der erste Erdgasbus Deutschlands im Linienverkehr eingesetzt. Heute besteht die VAG- Gesamtbusflotte aus rund 50 Prozent Erdgasbussen.
In Deutschland verkehren inzwischen rund 1500 Linienbusse, die mit Erdgas betrieben werden. Die Stadtwerke Münster gehen von weltweit acht Millionen Erdgasfahrzeugen aus. In Deutschland waren im Januar 2011 nach Angaben des Kraftfahrtbundesamtes über 71 000 Erdgas-Fahrzeuge zugelassen.
Erdgas ist eine Primärenergie, ein brennbares Naturgas, das in unterirdischen Lagerstätten vorkommt. Verdichtetes Erdgas ist nicht zu verwechseln mit Flüssiggas oder Autogas, welches auch kurz als LPG (liquefied petroleum gas) bezeichnet wird. Dies ist ein Kraftstoff, der meist aus einem Gemisch der beiden bei der Erdölgewinnung anfallenden Gase Propan und Butan besteht.
In Deutschland gibt es heute rund 5000 Tankstellen für LPG. Reine Erdgastankstellen sind weit weniger verbreitet. Nach Angaben der Stadtwerke Münster gibt es derzeit bundesweit rund 900 Erdgastankstellen. Die Erdgaswirtschaft arbeitet verstärkt an einem flächendeckenden Infrastrukturausbau.
Seit gut zehn Jahren werden in Göttingen bei Puk Minicar mit Erdgas betriebene Fahrzeuge eingesetzt. »Im April 2002 haben wir die ersten drei Erdgasfahrzeuge angeschafft«, erklärt Kai-Uwe Jung, Geschäftsführer eines Göttinger Mietwagenunternehmens. »Heute fahren 18 unserer 22 Wagen mit Erdgas. Das ist heute die am längsten verfügbare Primärenergie. Wir gehen davon aus, dass Erdgasfahrzeuge noch lange im Einsatz sein werden.«
Mark Diederichs fährt seit über zehn Jahren für das Mietwagenunternehmen. Er hat mehrjährige Erfahrung mit Erdgasfahrzeugen. »Der Tankvorgang dauert etwas länger als beim Dieseltanken«, stellt der Minicar-Fahrer fest. »Dafür ist der Kraftstoff aber günstiger. Die Bezahlung läuft bargeldlos, über eine Tankkarte.«
Frank Deppe ist bei den Göttinger Entsorgungsbetrieben für die Straßenreinigung zuständig. Seine Kontrollfahrten führt er mit einem Erdgas-Dienstfahrzeug durch. Auch Karin Hühne aus Duderstadt nutzt mit ihrer Familie einen erdgasbetriebenen VW Caddy. »Im Osten Deutschlands sind Erdgastankstellen rarer«, hat Hühne beobachtet. Daher erkundigt sie sich bei längeren Fahrten rechtzeitig nach geeigneten Tankmöglichkeiten.
Deutlicher Anstieg
Erdgasfahrzeuge sind umweltschonend und verursachen deutlich weniger Schadstoffe als konventionelle Kraftstoffe. Daher hat der Gesetzgeber Erdgas als Kraftstoff bis Ende 2018 mit einem deutlich reduzierten Steuersatz belegt. Laut einer Studie der Deutschen Energie-Agentur (dena) könnte bis 2020 die Zahl der Erdgasfahrzeuge in Deutschland auf 1,4 Millionen steigen.
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