Kinder müssen draußen bleiben

Bundesregierung lehnt Vorstoß zur Aufnahme von Kinderrechten ins Grundgesetz ab

  • Fabian Lambeck
  • Lesedauer: 3 Min.
Kinderrechte gehören ins Grundgesetz, findet eine Initiative aus vier einflussreichen Organisationen. Am Freitag machte das Bündnis Nägel mit Köpfen und legte einen Entwurf für eine entsprechende Verfassungsänderung vor. Doch Bundesfamilienministerin Kristin Schröder (CDU) wies den Vorstoß zurück.

»Mutter und Kind genießen den besonderen Schutz des sozialistischen Staates«, hieß es in der DDR-Verfassung von 1974. Ein ähnliche Garantie sucht man im Bundesdeutschen Grundgesetz vergebens. Alle Versuche, dies zu ändern, waren in der Vergangenheit gescheitert. Doch nun startet eine gemeinsame Initiative von Kinderhilfswerk, UNICEF, Kinderschutzbund und Liga für das Kind einen neuen Vorstoß. Am Freitag präsentierte das Vierer-Bündnis in Berlin einen entsprechenden Gesetzentwurf. »Wir wollen damit die Position der Kinder im deutschen Rechtssystem stärken und ein klares Signal für mehr Kinderfreundlichkeit in Deutschland setzen«, sagte der Präsident des Deutschen Kinderhilfswerks, Thomas Krüger, auf einer gemeinsamen Pressekonferenz.

Dazu soll ein neuer Artikel 2a ins Grundgesetz aufgenommen werden. In Absatz 1 wird dort dem Kind »das Recht auf Förderung seiner körperlichen und geistigen Fähigkeiten« garantiert. Zudem werden die Rechte auf Schutz, Beteiligung und der Vorrang des Kindeswohls bei allem staatlichen Handeln festgeschrieben.

»Die Verankerung der Kinderrechte im Grundgesetz hätte auch international Signalwirkung«, betonte Anne Lütkes, Vorstandsmitglied von UNICEF Deutschland. Die Bundesrepublik sollte Vorreiter werden, anstatt hinter Ländern wie Spanien, Österreich oder Südafrika zurückzubleiben. In diesen Ländern seien die Verfassungen bereits zugunsten der Kinder verändert worden, erklärte Lütke.

So revolutionär wie es auf den ersten Blick scheint, ist die Sache gar nicht. Schließlich schreiben die Verfassungsänderungen nur fest, was den Kindern nach internationalen Abkommen ohnehin zusteht. Lütke verwies hier auf die Charta der Grundrechte der Europäischen Union und auf die UN-Kinderrechtskonvention. Zwar hätten beinahe alle Staaten der Welt die UN-Konvention ratifiziert, jedoch sei die Umsetzung in nationale Gesetze »vielfach mangelhaft«, kritisierte die UNICEF-Vertreterin.

Insbesondere die Bundesrepublik hat sich hier nicht gerade mit Ruhm bekleckert. So hatte man die Konvention im Jahre 1992 nur unter ausländerrechtlichem Vorbehalt unterzeichnet. Schließlich wollte man auch weiterhin Flüchtlingskinder abschieben und notfalls internieren können. Diese Praxis war kaum mit der UN-Konvention in Einklang zu bringen. Hunderte Minderjährige verbrachten oft Monate in deutschen Abschiebegefängnissen. Nach langem Hin und Her nahm die Bundesregierung erst im Jahre 2010 ihren Vorbehalt zurück.

Das heißt aber nicht, dass Schwarz-Gelb nun die Kinderrechte im Grundgesetz festschreiben will. Im Gegenteil: Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) äußerte sich ablehnend zu dem Vorstoß. »Wir haben die Kinderrechte bereits gestärkt«, sagte Schröder der »Passauer Neuen Presse« vom Freitag. So gebe es ein Individualklagerecht für Fälle, bei denen es um mögliche Verstöße gegen die UN-Kinderrechtskonvention gehe. Dies stärke die Rechtsposition von Kindern »viel mehr als jede Verfassungsänderung«, sagte die CDU-Politikerin.

Diese Position ist Konsens innerhalb der Koalition. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) hatte bereits im Juli dieses Jahres die vom Bundesrat geforderte Verankerung der Kinderrechte im Grundgesetz abgelehnt. Nach Ansicht der liberalen Ressortleiterin seien die Rechte der Kinder bereits verfassungsrechtlich abgesichert, da Kinder wie Erwachsene Träger der Grundrechte seien. Die Länderkammer hatte die Bundesregierung im November 2011 aufgefordert, »einen Gesetzentwurf zur Änderung des Grundgesetzes vorzulegen«. Doch die Koalition mauert.

Kritik an der Blockadehaltung von Schwarz-Gelb kam am Freitag von der Opposition. Die stellvertretende SPD-Vorsitzende Manuela Schwesig bezeichnete Schröders Argumente als nicht nachvollziehbar. Das von der Familienministerin vorgebrachte Individualbeschwerderecht reiche nicht aus, unterstrich Schwesig.

Auch die kinderpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Diana Golze, zeigte Unverständnis für die Position der Ministerin: »Wer es mit den Kinderrechten ernst meint, gibt ihnen Verfassungsrang«, Ohne eine Verankerung im Grundgesetz blieben alle noch so gut gemeinten Initiativen zur Stärkung von Kinderrechten lediglich Stückwerk, so Golze.

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