Wann besteht ein Anspruch auf Mehrbedarf für Alleinerziehende?
Entscheidungen des Bundessozialgerichts zum SGB II
Es besteht auch dann ein Anspruch auf den Mehrbedarf für Alleinerziehende, wenn Angehörige an der Kinderbetreuung beteiligt sind oder die Möglichkeit hätten, Betreuungsaufgaben zu übernehmen. Entscheidend ist »das Fehlen einer nachhaltigen Unterstützung durch andere Personen« und dass ein Elternteil »tatsächlich nicht in erheblichem Umfang bei der Pflege und Erziehung der Kinder unterstützt wird.«
Im vor dem Bundessozialgericht verhandelten Fall lebte eine Alleinerziehende zusammen mit ihrer Schwester und ihren Eltern - ohne jedoch eine Haushaltsgemeinschaft zu bilden. Die Richter entschieden, dass bei der Auslegung des Begriffs der »alleinigen Sorge« auf den zeitlichen Umfang der tatsächlichen und regelmäßigen Betreuung abzustellen ist und es unerheblich ist, ob mehrere Personen die Möglichkeit gehabt hätten, sich die Kinderbetreuung zu teilen.
Urteil vom 23. August 2012, Az. B 4 AS 167/11 R
Vollständige Erstattung vorläufiger Leistungen
Vorläufig gewährte Leistungen müssen vollständig zurückgezahlt werden, wenn sich herausstellt, dass doch kein Leistungsanspruch bestand. Die Regelung, wonach nur 44 Prozent der für die Kosten der Unterkunft erbrachten Leistungen zu erstatten sind (§ 40 Abs. 4 SGB II), gilt bei der Erstattung vorläufig gewährter Leistungen nicht.
Die Richter begründen ihre Entscheidung einmal mit dem Wortlaut der Regelung, der auf Fälle nach § 50 SGB X (»Erstattung zu unrecht erbrachter Leistungen«) abstellt und zudem mit dem Zweck der nur teilweisen Erstattung: »Durch den teilweisen Ausschluss von der Erstattungspflicht wollte der Gesetzgeber gewährleisten, dass Empfänger von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II nicht schlechter als beim Bezug von Wohngeld stehen, weil dieses nicht der Rückforderung unterliegt. Hingegen wird Empfängern von vorläufigen Leistungen nach Ablehnung der endgültigen Leistungsgewährung die Möglichkeit eröffnet, Wohngeld zu beantragen.«
Urteil vom 23. August 2012, Az. B 4 AS 169/11 R
Schmerzensgeldzinsen sind anrechenbares Einkommen
Zugeflossene Zinseinkünfte aus einer Schmerzensgeldzahlung sind anrechenbares Einkommen.
Die obersten Sozialrichter in Kassel betonen den Unterschied zwischen einem privilegierten, anrechnungsfreien Einkommen und den Zinseinkünften aus diesem Einkommen. Aus der Nichtberücksichtigung eines Einkommens folge nicht, dass die daraus resultierenden Zinseinkünfte als zweckbestimmte Einnahme gelten oder aus anderen Gründen anrechnungsfrei bleiben. Ebenso sind Zinsen aus dem Schonvermögen anrechenbares Einkommen.
Urteil vom 22. August 2012, Az. B 14 AS 103/11 R
Verwertbarkeit von Wohneigentum
Ein bestehendes Nießbrauchs- oder Dauerwohnrecht führt nicht automatisch dazu, dass eine Immobilie als nicht verwertbar anzusehen ist. Vielmehr müssen die Verwertungsmöglichkeiten - etwa auch durch eine Beleihung - konkret geprüft werden. Das BSG weist darauf hin, dass die Vorinstanzen, die anders entschieden hatten, die bisherige BSG-Rechtsprechung falsch interpretiert hätten.
Im verhandelten Fall ging es um ein selbst genutztes Eigenheim, das aufgrund der Wohnfläche von 174 Quadratmetern nicht zum Schonvermögen gehörte und in dem die Eltern des Antragstellers ein Dauerwohnrecht hatten.
Der Fall wurde zur Entscheidung an die Vorinstanz, das Landessozialgericht, zurückverwiesen.
Urteil vom 12. Juli 2012, Az. B 14 AS 158/11 R
Kostendeckelung für Kosten der Unterkunft
Eine Vorabklärung zur Übernahme der Unterkunftskosten ist nur bei einem Umzug erforderlich und nicht bei einer Mietsteigerung in einem bestehenden Mietverhältnis. Ebenso greift die Kostenbegrenzung auf die bisherigen Unterkunftskosten nur bei einem nicht genehmigten Umzug und nicht bei einer Mietsteigerung in einem bestehenden Mietverhältnis.
Das Jobcenter hatte beide Regelungen auf den Fall anwenden wollen, dass nach der Modernisierung eines Badezimmers ein Modernisierungszuschlag gezahlt werden musste und sich die Mietkosten in einem bestehenden Mietverhältnis erhöhten.
Urteil vom 23. August 2012, Az. B 4 AS 32/12 R
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.