Bachelor und Master nicht umsonst

Die Hochschulrektorenkonferenz will das »Bologna«-Reformdesaster aufarbeiten und zurück zum Bezahlstudium

  • Ralf Hutter
  • Lesedauer: 3 Min.

Bei ihrer Mitgliederversammlung in Göttingen beschloss die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) am Dienstag, eine »differenzierte Bilanz« der vor über zehn Jahren begonnenen »Bologna«-Reform zu erarbeiten. Eine Arbeitsgruppe soll in einer »systematischen Bestandsaufnahme« aufarbeiten, wie die europäische Hochschulreform je nach Bundesland, Hochschule und Fach durchgeführt wurde. Daraus sollen dann Handlungsempfehlungen an Bund, Länder und Hochschulen werden. Ob diese Arbeitsgruppe »in einem halben, oder in einem ganzen Jahr« fertig sein wird, kann HRK-Präsident Horst Hippler nicht sagen. Ihren Vorsitz hat Holger Burckhart inne, Rektor der Universität Siegen und eines von zwei neu gewählten HRK-Präsidiumsmitgliedern.

»Keiner will zurück zu den durchgehenden Studiengängen«, rechtfertigt Hippler das gestufte Bachelor-Master-System, ein Hauptziel der Reform. Aber die Umstellung ging in Deutschland mit haarsträubenden dysfunktionalen Elementen einher. »Anwesenheitspflichten waren nicht immer nötig«, kritisiert Hippler und macht für solche Verschärfungen die Strukturvorgaben der Bundesländer verantwortlich. »Auch die studienbegleitenden Prüfungen mussten nicht so scharf sein«, fügt er hinzu.

Die Verschulung und individuelle Profilierung der deutschen Universitäten haben sogar die studentische Mobilität beeinträchtigt, ein anderes Hauptziel der Reform. Da sieht Hippler nun Fortschritte: »In einigen Bundesländern gibt es die Möglichkeit, Auslandssemester nicht auf die Regelstudienzeit anzurechnen.« Der pensionierte Physiker fordert eine Diskussion über den primären Zweck von Auslandssemestern. Seine Ansicht: »Primär ist, zumindest im Bachelor, nicht das Fachliche, sondern der kulturelle Austausch, das Formen der Persönlichkeit.« Somit sei die Frage der Anrechenbarkeit von Studienleistungen sekundär. Hier seien »bilaterale Abstimmungen« zwischen den jeweils beteiligten Universitäten wichtig.

Kultureller Austausch, Persönlichkeitsbildung, bilaterale Abstimmung - waren das nicht schon immer Merkmale von Auslandssemestern? War also zumindest in dieser Hinsicht der Bologna-Prozess mit seiner starken Betonung von Mobilitätssteigerung unnötig? Hippler widerspricht, wechselt aber zur Begründung das Thema: Dank Bologna-Prozess könne nun vor einem Master-Studiengang (und somit ungefähr in der Hälfte eines der alten Studiengänge) die Universität gewechselt werden, was auch sehr häufig geschehe.

Eine andere großflächige Entwicklung im deutschen Hochschulwesen gefällt Hippler hingegen nicht: die fast überall erfolgte und nun auch in Bayern stark diskutierte Rücknahme des Bezahlstudiums. »Die Mehrheit der HRK ist für Studienbeiträge«, hält er fest und bekennt sich als Anhänger »nachlaufender« Zahlungen, die erst bei Berufsausübung fällig werden. Den Hochschulen sei nun trotz Ausgleichszahlungen der Länder Geld verloren gegangen. Folglich hat die HRK kein Verständnis dafür, dass auch die CSU für eine Abkehr vom Bezahlstudium wirbt, was die bayerische Regierungskoalition mit der FDP arg belastet.

Hippler wagt eine Prognose: »Die Studienbeitragsdiskussion wird wieder aufflammen, wenn die Schuldenbremse greift.«

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