Unabhängigkeit als Wählerauftrag
Beim Votum in Katalonien werden große Zuwächse für die separatistischen Parteien erwartet
Katalonien - quo vadis? Bei den Parlamentswahlen werden die Wähler am Sonntag indirekt auch darüber abstimmen, ob in der wirtschaftsstärksten Region Spaniens ein Prozess zur Schaffung eines unabhängigen Staates eingeleitet werden soll.
Umfragen sind sich uneinig darüber, ob die regierende nationalliberale Konvergenz und Einheit (CiU) die angestrebte absolute Mehrheit erhält. Der bisherige Präsident der Regionalregierung Artur Mas will im Falle einer Alleinregierung ein Referendum über die Unabhängigkeit nach Vorbild der Schotten auf den Weg bringen.
Klar ist, dass die Parteien eine Zweidrittelmehrheit erhalten werden, die für die Unabhängigkeit eintreten. Laut Umfragen treten inzwischen knapp 60 Prozent der Bevölkerung in Katalonien für eine Loslösung von Spanien - ein historischer Rekord. Nach Jahren der Uneindeutigkeit haben die CiU und Mas den Fahrersitz in der Lokomotive dieses Zugs eingenommen. Die Partei hofft, mehr als die bisherigen 62 Sitze zu erhalten. Die absolute Mehrheit liegt bei 68. Mas hat Sympathisanten anderer Parteien aufgefordert, ihm die Stimme »zu leihen«, damit er eine »außerordentliche Mehrheit« für seinen Kurs erhält.
Vor allem die Linksparteien kritisieren ihn für diesen Wahlkampf. Die Republikanische Linke (ERC) ist stets für die Loslösung von Spanien eingetreten. Das kommt ihr nun zugute. Ihr wird ein Zuwachs auf 13 Prozent der Stimmen und 19 Parlamentarier prognostiziert. Der ERCSpitzenkandidat Oriol Junqueras macht Mas zwar die Führung nicht streitig. Er verweist aber auch auf den wirtschaftsliberalen Sparkurs der CiU. Zudem gäbe es in der Partei einen Flügel unter Josep Antoni Duran Lleida, »der gegen die Unabhängigkeit arbeite«.
Die linksgrüne Initiative für Katalonien (ICV), die mit der Vereinten Linken (IU) verbunden ist, dürfte ihre zehn Sitze behaupten. Sie tritt für das Selbstbestimmungsrecht ein, legt sich aber bisher nicht fest, ob sie ihre Wähler bei einem Referendum aufrufen wird, für die Unabhängigkeit zu stimmen. Diese Ambivalenz könnte dazu führen, dass die Formation unter Joan Herrera an Einfluss verliert.
Gespannt wird das Abschneiden der radikalen Linksnationalisten der CUP erwartet. Sie tritt erstmals zu den Regionalwahlen an, sitzt bisher nur in Kommunalparlamenten. Der Journalist und CUP-Spitzenkandidat David Fernández erwartet bis zu sechs Sitze, um als »Trojanisches Pferd« der einfachen Leute gegen einen »senilen Kapitalismus« eintreten zu können. Denn dabei handele es sich »um eine Maschine, die Armut produziert«.
Klar ist, dass knapp 100 Parlamentarier ins Parlament gewählt werden dürften, die für das Selbstbestimmungsrecht der Katalanen eintreten. Dagegen dürften nur etwa 25 Sitze an Unabhängigkeitsgegner gehen. Auf höchstens 19 Sitze soll die in Spanien regierende rechte Volkspartei (PP) kommen und auf höchstens sieben »Ciutadans« (Katalanische Bürger). Rechnet man die 15 Sitze hinzu, auf den die Sektion der spanischen Sozialisten (PSC) von 28 abstürzen soll, dann werden im Parlament demnächst gut zwei Drittel für das Selbstbestimmungsrecht eintreten. Den Sozialisten wird prognostiziert, wie im Baskenland im Oktober zum großen Wahlverlierer zu werden. Den Sozialisten wird nach sieben Jahren (bis November 2011) an der Regierung ihr neuer Diskurs gegen den strikten Sparkurs nicht abgenommen. Dazu ist die PSC gespalten. Die starke katalanistische Fraktion fühlt sich vom Spitzenkandidaten Pere Navarro nicht vertreten, der nur für ein Referendum ist, wenn es von Spanien erlaubt wird. Doch nicht nur die PSC ist gespalten. Das trifft auf ganz Katalonien zu.
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