Kein Ankommen

»Violeta Parra« von Andrés Wood

  • Alexandra Exter
  • Lesedauer: 2 Min.

Vom Leben hatte sie genug, da war sie noch keine fünfzig. Ihr bekanntestes Lied aber feiert ausgerechnet das Leben: »Gracias a la vida«, Dank an das Leben, nach ihr gesungen von einer ganzen Garde internationaler Stars von Mercedes Sosa bis Joan Baez (und in eingedeutschen Versionen von Gerhard Schöne und Manfred Maurenbrecher). Es gehört wie ihre Teppiche und Bilder zum Vermächtnis von Violeta Parra.

Das filmische Künstlerporträt, das der Chilene Andrés Wood (»Machuca, mein Freund«) seiner gefeierten, verkannten, verzweifelten, selbstbewussten, selbstquälerischen Landsmännin widmet, ist weniger politisch als persönlich geraten, weniger Künstlerbio als Psychogramm, das Porträt einer Frau auf der Wanderschaft, die niemals ankam. Vom äußeren politischen Kontext ist wenig zu sehen, Victor Jara kommt gleich gar nicht vor, nur Pablo Neruda wird erwähnt, als ein Freund, der ihr, zusammen mit den kommunistischen Parteigenossen, mutmaßlich 1964 die prestigeträchtige Pariser Ausstellung vermittelt haben müsse ...? Denn aus eigenem Verdienst heraus könne sie die ja unmöglich ....?

So jedenfalls insinuiert der Fernseh-Interviewer, dessen reichlich herablassendes (und mutmaßlich historisches) Gespräch mit Parra den Rahmen abgibt für ein paar schon beinahe unangemessen grau-bräunlich nostalgiefarbene, vielleicht auch einfach nur: armutsgetönte Kindheitserinnerungen und weitere Reminiszenzen an spätere, auch nicht immer sehr glückliche Jahre.

Mann und Kinder lässt sie zurück, um hinter dem Eisernen Vorhang die Freiheit zu suchen, später erobert ein blonder Schweizer Musiker ihr Bett, indem er sein Geburtstagsständchen mit der »Internationalen« ausklingen lässt, geblasen auf der Flöte ihrer Kinder. Er schenkt ihr einen Ring, filmt sie in Europa, dann ist auch er weg, nach Bolivien.

Wood schildert Parra (Francisca Gavilán) als echte Volkskünstlerin, ein Kind des Volkes, das für das Volk schrieb, stickte, töpferte, malte und sang und sich an der chilenischen Klassengesellschaft rieb, die die ländliche Armut ignorierte und Indios ausgrenzte. Als ein pockennarbiges, widerborstiges Weib voller Talente, Kanten, Lüste und Ängste, planvoll planlos mit ihrer Mission der Bewahrung einheimischen Liedguts unterwegs, bis ihr das Leben und die Armut zu viel wurden. Eine Mater Dolorosa ihrer Zeiten und Umstände, in Europa gefeiert, zu Hause vom Volk verehrt, von den Reichen und Mächtigen ausgestellt und dann in die Küche abgeschoben, zu den Domestiken. Ihre Musik spricht für sich, der Rest schweigt, in wiederkehrenden, ziemlich kunstgewerblichen Bildern.

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