Keine Lust auf Stalin und Mao
Ein neues Bündnis will das Gedenken an Luxemburg und Liebknecht modernisieren
Furtwängler: Wir wollen eine neue Form des Gedenkens initiieren. Diese soll vor allem Jugendliche gezielter ansprechen. Das heißt für unser Bündnis, eine Demonstration durchzuführen, die nicht nur aus Redebeiträgen und Lautsprecherdurchsagen besteht, sondern auch aus Musik, Straßentheater und verschiedenen kreativen Aktionen.
Welche Rolle spielen dabei Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht?
Uns geht es um eine Demonstration, die sich nicht nur an zwei Symbolfiguren aufhängt, sondern aller gedenkt, die sich für deren Ideale eingesetzt haben.
Konnten Sie sich auf der traditionellen jährlichen Demonstration nicht in dieser Art einbringen?
Die traditionelle Demonstration hat inzwischen auf die Außenwelt nur noch die Wirkung, da laufen welche mit Stalin- und Mao-Bannern, DDR-Fahnen und Musik der Sowjetunion durch die Straße. Es wird den großen linken Führern gehuldigt. Das ist für Außenstehende nicht mehr attraktiv – es macht vielmehr Angst. Außerdem haben Stalin und Honecker mit der Gesellschaft, die wir anstreben und uns vorstellen, wenig zu tun.
Früher hat Solid aber doch immer beim traditionellen Gedenken mitgemacht, wie kam es zu dem Meinungsumschwung?
Wir diskutieren seit vielen Jahren, warum viele von uns keine Lust mehr haben, auf diese Demonstration zu gehen. Ein Hauptgrund ist, dass wir uns die Auseinandersetzung mit Stalin und Mao-Anhängern nicht mehr länger geben wollen. Daraus ist in Gesprächen mit den Falken und der DGB-Jugend die Idee entstanden, etwas Eigenes zu machen und ein neues Bündnis zu gründen.
Hat für diese Entscheidung auch der gewalttätige Angriff auf eine Gruppe eine Rolle gespielt, die am Rande der letzten Demonstration ein Transparent mit Gesichtern von Stalin, Mao und Lenin und dem Spruch »Nein, Nein, Nein, das ist kein Kommunismus« hochgehalten hatten?
Es gibt solche Angriffe und die Schändung des Gedenksteins für die Opfer des Stalinismus ja schon länger. Die traurige Steigerung 2012 hat nur bestätigt, was wir bereits ahnten: Innerhalb der traditionellen Demonstration lässt sich nichts mehr verändern, da eine kritische Auseinandersetzung mit der Vergangenheit von einigen abgelehnt wird.
Die Veranstalter der jährlichen Demonstration werden das neue Bündnis als Spalter kritisieren.
Natürlich werden wir durch unsere Alternativ-Demonstration die Größe der traditionellen Demonstration verändern. Wir haben lange diskutiert, ob wir das machen können. Wir sind aber zu dem Schluss gekommen, dass wir die Einigkeit der Linken nicht damit bezahlen wollen, dass wir unsere Ideale einer emanzipatorischen Politik aufgeben. Das verbinden wir auch mit Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht: Es gibt nicht die eine Wahrheit, man muss sich die neue Gesellschaft vielmehr gemeinsam erarbeiten. Das bedeutet auch, dass man diejenigen, die nicht der eigenen Meinung sind, nicht durch Repression und Gewalt zum Schweigen bringen kann, sondern mit ihnen in den Dialog kommen muss.
Können denn die dogmatischen Gruppen bei der neuen Gedenkdemonstration mitmachen?
Wir sind offen für alle. Aber ich glaube nicht, dass die Anhänger von Stalin und Mao sich unserem Gedenken anschließen wollen. Dazu ist unser Aufruf deutlich genug formuliert. Unsere Demonstration wird auch in Berlin-Tiergarten zum Landwehrkanal führen, um dort als Bündnis einen Kranz niederzulegen. Linksjugend Solid, aber auch andere Organisationen werden danach gemeinsam zum Zentralfriedhof in Friedrichsfelde fahren, um dort der Leute zu gedenken, die für ihre Ideale gestorben sind. Außerdem werden wir weiterhin am morgendlichen Stillen Gedenken teilnehmen.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.