Dynamisch auf das Abstellgleis

Ein Bündnis in Magdeburg will bessere Bahnanbindungen für die Landeshauptstadt

  • Hendrik Lasch, Magdeburg
  • Lesedauer: 3 Min.
Wenn die Bahn den Fahrplan wechselt, wird Magdeburg vom ICE abgehängt. Die stetige Verschlechterung der Situation Magdeburgs beim Schienenfernverkehr will ein lokales Bündnis nun aufhalten.

In Magdeburg gab es kürzlich Grund zur Freude: Die Landeshauptstadt von Sachsen-Anhalt wurde von der »Initiative neue soziale Marktwirtschaft« ausgezeichnet - mit dem Titel der dynamischsten Stadt der Bundesrepublik. Unter anderem sank die Arbeitslosenquote fast doppelt so stark wie im Durchschnitt. Zum Glück wurde für das Ranking die Anbindung an den Schienenfernverkehr nicht gewertet - Magdeburg hätte dann wohl unter »ferner liefen« rangiert. Konnte man einst aus der Landeshauptstadt direkt per ICE nach Süddeutschland und sogar in die Schweiz reisen, wird beim Fahrplanwechsel Mitte Dezember auch die letzte ICE-Verbindung durch Intercity-Züge ersetzt. Ein erst vor zwei Jahren etablierter direkter Zug nach Berlin namens »Kaiser-Otto-Express« wird ebenfalls gestrichen; in die Bundeshauptstadt müssen die Magdeburger dann per Regionalzug fahren. Ein unhaltbarer Zustand, findet der CDU-Politiker Detlef Gürth. Als Präsident des Landtags von Sachsen-Anhalt verfügt er zwar über einen Dienstwagen, er ist aber auch passionierter Bahnfahrer - und hat als solcher die Entwicklung über Jahre verfolgt. Das Fazit: »Die Bahn devastiert uns.« Übersetzt heißt das: Magdeburg wird verwüstet. Eine »Interessengemeinschaft Pro ICE«, in der Gürth mitarbeitet, untermauert die Behauptung mit Zahlen. Hartmut Zadek, Professor für Logistik an der Universität Magdeburg, zitiert eine unter seiner Betreuung entstandene Diplomarbeit, der zufolge die Zahl der Fernverbindungen seit 1996 um fast zwei Drittel zurückging. Von Magdeburg aus sind heute noch vier von 13 großen deutschen Städten ohne Umsteigen zu erreichen; von Braunschweig aus sind es dagegen neun. Die Fahrzeiten von Magdeburg nach München, Frankfurt am Main und selbst nach Berlin haben sich binnen weniger Jahre jeweils um eine Stunde verlängert. Zadek erkennt in der Entwicklung eine »Strategie der Bahn«, die sich auf wenige rentable Schnellstrecken konzentriert, den Verkehr in der Fläche aber über Regionalzüge abwickelt - die von den Ländern bezahlt werden. »Die Bahn sieht keine Notwendigkeit, einen adäquaten Fernverkehr bereitzustellen, was aber ihre Pflicht wäre«, sagt der Wissenschaftler. CDU-Mann Gürth wird noch deutlicher: Das bundeseigene Unternehmen müsse nicht nur wirtschaftlich arbeiten, es habe auch »einen Versorgungs- und Erschließungsauftrag«. Dem werde die Bahn in Magdeburg nicht gerecht. Das Bündnis will sich dagegen wehren und den Unmut bei Bürgern, Unternehmen und in der Wissenschaft bündeln. Verbände, Kammern und Parteien sollen einbezogen werden.

Eine Seite bei Facebook werde es bald geben, heißt es. Gürth betont, in der Initiative seien »keine Krawallos, Verhinderer und Träumer« vereint; die Initiative wolle die Bahn vielmehr mit Fakten und Zahlen überzeugen. Vielleicht auch mit denen über die dynamischste Stadt Deutschlands - die ausgerechnet der dynamische ICE freilich meidet.

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