Hamburgs NABU soll politischer werden
Vorsitzender kritisiert Stadtplaner
Der NABU-Vorsitz in Hamburg ist ein Ehrenamt. Da ist es praktisch, dass Porschkes Beratungsbüro Gumeko in der Osterstraße (Eimsbüttel) im selben Gebäude wie die Zentrale des NABU sitzt – die Wege zwischen Amt und Job sind kurz. Bei Tee und Keksen plaudert der ehemalige grüne Umweltsenator der Hansestadt (von 1997 bis 2011) über grüne Stadtentplanung, die Ideen des Hamburger Baumeisters Fritz Schumacher, die katastrophalen Folgen der Fleischproduktion und den Kampf gegen die Rußentwicklung durch die Kreuzfahrtschiffe. Der studierte Diplomingenieur ist gut informiert und redet schnell.
Auch die Themen Wohnungsknappheit und Stadtentwicklung sind ihm vertraut. Zurzeit arbeitet der NABU dazu ein strategisches Konzept. Das ist noch nicht fix, eine Meinung hat Porschke trotzdem: »Wir wollen nicht, dass Menschen mit niedrigem Einkommen auf der Straße sitzen, sondern auch einen Platz in der Stadt haben.« Doch seine Organisation habe nicht nur die Menschen im Blick, sondern auch die Tiere, betont Porschke: »Wir sind die Anwälte für Lebensqualität für Bewohner und Naturbewohner.«
Die Folgen des Klotzens
Als umweltverträgliche Maßnahmen zur Linderung der Wohnungsnot befürwort er die Aufstockung von Gebäuden, die Umwidmung von Büro- in Wohnraum und den gezielten Bau von Hochhäusern. Die Aufstockung, auch eine Forderung des Mietervereins, sei dort eine Option, wo etwa wegen Kriegsschäden nur noch das Erdgeschoss stehe. Bei Umwidmungen von leer stehendem Gewerberaum komme es allerdings sehr auf den Standort an, meint Porschke. Einen anderen Pfad zu verfolgen sei interessanter: Wo Gewerbe stattfindet, es aber nicht hingehört, also zweckentfremdet wird, könnte viel Wohnraum geschaffen werden.
Auch den Bau von Hochhäusern will der NABU-Chef nicht ausschließen. Die Vorteile lägen auf der Hand: wenig Flächenverbrauch, gute Energiebilanz. »Wenn man sie gut macht, sind sie attraktiv.« Leider habe die Stadt früher den Fehler gemacht, Siedlungen wie Steilshoop oder Osdorf in Achsenzwischenräume zu bauen, wo sie der erste Oberbaudirektor Hamburg, Fritz Schumacher, aus gutem Grund nicht vorgesehen hatte haben wollen: »Deshalb fehlt dort die Verkehrsanbindung. Darum haben diese Siedlungen attraktivitätsbegrenzende Merkmale.« Aus diesen Erfahrungen müsse Hamburg lernen: »Das Prinzip Klotzen hat sich in der Vergangenheit nicht immer bewährt.« Porschke findet Schumachers Grundidee nach wie vor richtig: Wohnraumverdichtung an den Verkehrsachse, dazwischen Grün – möglichst bis ins Zentrum.
Großes Potenzial sieht der NABU-Chef im Bereich Flächenrecycling. »Hafen-, Bahn-, und Kasernenflächen sind Areale, auf denen Wohnraum entwickelt werden sollte. Das ist urbane Verdichtung.« Wenn man den Sprung über die Elbe propagiere, müsse man aber auch auf der anderen Seite ankommen, betont Porschke. Deshalb könne es nicht angehen, dass der Hafen das Überseezentrum für weitere Nutzung vorhalten möchte und den Bau von weiteren Kreuzfahrtterminals befürworte. Diese Haltung verhindere den Anschluss der City an den Stadtteil Veddel.
Wer den 57-Jährigen reden hört, erkennt in ihm den ehemaligen Politiker. Porschke war Mitbegründer der Grünen, für die er von 1993 bis 1997 in der Bürgerschaft saß, bevor er Senator wurde. Später kandidierte er für den Bundestag, scheiterte jedoch. Anschließend machte er sich als Umweltberater selbstständig. Heute erstellt seine Gesellschaft für Umwelt, Entwicklung und Kommunikation, kurz Gumeko, Gutachten und entwickelt Konzepte. Alexander Porschkes Arbeitsbereich ist der kommunale, nationale und internationale Umweltschutz.
Parks – nicht nur Rollrasen
Wenn er auf sein bisheriges Arbeitsleben zurückblicke, empfinde er seine verschiedenen Tätigkeiten als »bereichernd und spannend«, sagt Porschke: »Ich war linksradikal, Parteimitglied und -vorstand, saß im Parlament, war als Umweltsenator Regierungsmitglied und bin heute in gesellschaftlichen Institution tätig.«
Aktuell beim NABU wolle er das Thema Stadtnatur intensiver aufgreifen, sagt Porschke, der sich über die Planung der HafenCity ärgert: »Da gibt es keine Parks, und was an Grün geschaffen wurde, sieht aus wie ein Rollrasen.« Als Naturschützer wolle er nicht nur Liegewiesen, auf denen man grillen kann: »Uns geht es auch um die Naturbewohner, für die die Stadt ein Rückzugsgebiet geworden ist, weil sie in der Agrarsteppe nicht überleben können.«
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.