Mehr Verfassungsschutz und Hickhack um den NPD-Verbotsantrag
Die sehen das anders: Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) sagte nach Abschluss der Innenministerkonferenz (IMK) in Rostock, die Mordserie des Nationalsozialistischen Untergrundes habe gezeigt, dass Deutschland nicht weniger, sondern mehr Verfassungsschutz brauche. Dementsprechend sehen die Beschlüsse der IMK aus. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) kündigte an, dass Bund und Länder die Verfassungsschutzbehörden zum Austausch verpflichten wollen. Die Informationen sollen beim Bundesamt für Verfassungsschutz zusammenlaufen, dort ausgewertet und die Ergebnisse an die Länder zurückgegeben werden. Zudem sollen die V-Leute in einem zentralen Register geführt werden und Personen, die schwere Gesetzesverstöße begangen haben oder in der Führung von Organisationen sind, nicht als Quellen genutzt werden. Für die Auswahl der V-Leute soll es bundesweit einheitliche Standards geben. Die Parlamente sollen laut Schünemann regelmäßiger über die Arbeit der Verfassungsschutzbehörden informiert werden.
Auch die Grünen kritisieren die Beschlüsse. Der Abgeordnete Hans-Christian Ströbele erklärte: »Bloße Reförmchen wie geplant reichen nicht nach dem kompletten Versagen des Verfassungsschutzes.«
Zu dem von den Ländern angestrebten erneuten NPD-Verbotsverfahren gibt es weitere kritische Stimmen. Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) bezeichnete das Verfahren in der »FAZ« als »nicht durchdacht«. Er zweifele daran, ob die von den Innenministern zusammengestellte Materialsammlung für ein gerichtliches Verbot ausreiche. »Man soll es besser bleiben lassen«, so Lammert. Das Verbotsverfahren erscheine ihm als bloßer »Reflex« auf die Mordanschläge des NSU. Der politische Einfluss der NPD sei ohnehin »selten so gering wie heute« gewesen. Bundesinnenminister Friedrich sagte im Deutschlandfunk, es gebe keine Automatik, »dass, wenn ein Verfassungsorgan sagt ›Wir stellen den Antrag‹, alle anderen automatisch mit müssen.« Es sei eine souveräne Entscheidung, in der jedes Verfassungsorgan abwägen müsse. »Ob vor Gericht einer klagt oder fünf, ist für die Frage eines Erfolgs vor Gericht nicht ausschlaggebend.« Auch Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) ist skeptisch und schlägt neue Anstrengungen im Kampf gegen Nazis vor. »Es geht darum, möglichst viele Menschen herauszubrechen aus ihrem rechtsextremen Umfeld«, sagte sie »Welt«. »Wir sollten die Strukturen vereinheitlichen und ein gemeinsames Exit-Programm von Bund und Ländern schaffen, das beispielsweise vom Bundeskriminalamt koordiniert wird.« mdr
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