Hohe Wellen, Afrikas Feuer

Andreas Homoki inszenierte in Zürich: Wagners »Holländer«

  • Roberto Becker
  • Lesedauer: 3 Min.

Gibt es überhaupt ein Opernhaus, das in dieser Spielzeit keine Verdi- oder Wagner-Oper auf dem Programm hat? Wenn, dann wäre das ein kühnes Ausscheren aus dem europäischen Mainstream. Und auch ein bisschen ungerecht, denn Verdi und Wagner, den beiden 200-Jährigen des kommenden Jahres, verdankt die Oper immer noch extrem viel.

In Zürich hat sich der neue Intendant Andreas Homoki die Freiheit genommen, seine erste eigene Inszenierung im Amt mit einem glänzend bestückten »Fliegenden Holländer« zu absolvieren. Die Vorgänger-Inszenierung der Opernlegende Ruth Berghaus war hier lange im Programm und dürfte den Zuschauern noch gegenwärtig sein. Aber Furcht vor großen Namen hatte Homoki auch an seiner vorherigen Wirkungsstätte, der Komischen Oper Berlin, nie.

Sein »Holländer« ist mit der Mailänder Scala und der Oper in Oslo koproduziert. Gemessen an dem musikalischen und vokalen Orkan, mit dem die Seefahrer- und Erlösungssaga in Zürich über die Bretter fegte, dürfte er auch in diese deutliche größeren Häuser gut hinein passen.

Der als »schwierig« verrufene, aber als Sänger schlichtweg umwerfende Bryn Terfel ist als Holländer schon etwas Besonderes. Auch ein weit entfernter Erlösungsengel müsste ihn hören. Sofern eine menschliche Stimme das eben kann, vermag er selbst jene Vorstellung vom Zusammenbruch der Welt zu vermitteln, die er in seinem Auftritts-Monolog beschwört. Als Daland vermag Matti Salminen immer noch eine Bühne zu füllen. Anja Kampe ist als dramatisch sehnsuchtsvolle Senta mit von der Partie. Und auch Erik (Marco Jetzsch) und Frau Marie (Liliana Nikiteanu) laufen zu Hochform auf. Mitreißender Pult-Kapitän auf hoch peitschender Holländer-See: Alain Altinoglu. Alles groß dimensioniert, aber es sitzt und macht Freude!

Die Verlegung der Geschichte in das merkantil und kolonisatorisch agile 19. Jahrhundert hat man so oder so ähnlich schon oft gesehen. Homokis szenischer Ansatz bereichert sie um einen Blick auf das Objekt der Seefahrerbegierde der Dalands & Co. Diese Reederei hat offenbar Afrika im Visier. Der Chef hat einen schwarzen Diener und auf entsprechenden Landkarten sind all jene Plätze markiert, an denen man offenbar schon erfolgreich gelandet ist. Der Kuhhandel Schätze gegen Tochter wird hier zunächst zum Synonym für einen geschäftlichen Coup, denn die Karte, die erst den halben Kontinent zeigte, muss jetzt durch die von ganz Afrika ausgetauscht werden.

Doch dann, wie aus dem Unbewussten, schlagen die Kolonisierten zurück. Zu den Geisterstimmen der Holländer-Mannschaft gerät der Schwarze Kontinent in Flammen, und der Diener ist plötzlich, seiner europäischen Kleidung ledig, ein Krieger mit Kriegsbemalung, der sich auf die eigenen Kräfte besinnt.

Als Imagination ist das ebenso unheimlich wie die Bewegung, die manchmal die Wellen auf den Ölbildern an der Wand erfasst oder das plötzliche Einfrieren der Bewegungen. Am Ende erschießt sich Senta mit Eriks Flinte. Für sie war jene andere Welt des Holländers mit ihren unerledigten Rechnungen eine viel stärkere Wirklichkeit als die Welt der Firma ihres Vaters, aus der uns Wolfgang Gussmanns holzgetäfelte Bühne nie entlässt.

Das Publikum versucht, sich mit einem Beifallsorkan zu bedanken. Hatte aber keine Chance, gleichzuziehen.

Nächste Vorstellung: 19.12.

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