Freispruch für religiöse Beschneidung

Bundestag verabschiedete neues Gesetz

  • Uwe Kalbe
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Bundestag hat am Mittwoch die Beschneidung von Jungen aus religiösen Gründen erlaubt.

Mit einem neuen Paragrafen im Bürgerlichen Gesetzbuch ist künftig geregelt, dass der bei Juden und Muslimen übliche Eingriff bei männlichen Säuglingen und Kindern unter Einhaltung bestimmter Bedingungen straffrei ist. Er muss nach den »Regeln der ärztlichen Kunst« vorgenommen werden und darf das Kindeswohl nicht gefährden. Damit dürfte eine über Monate geführte Debatte vorerst enden, die nach einem Urteil des Landgerichts Köln im Mai ausgebrochen war. Die Richter hatten die Beschneidung als Körperverletzung bewertet. Kritikern der Beschneidung wurde unterstellt, sie seien islamophob beziehungsweise Antisemiten, Befürworter sahen sich in ihrer Religionsausübung eingeschränkt. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser Schnarrenberger (FDP) machte geltend, dass Beschneidung in keinem Staat der Welt verboten ist, Kritiker wiesen unter anderem darauf hin, dass Beschneidung das höher stehende Recht auf körperliche Unversehrtheit der Kinder verletze.

Ein Urteil wie in Köln ist nach dem neuen Gesetz, dem auch Abgeordnete der LINKEN zustimmten, künftig dennoch ausgeschlossen. Der Bundestag stimmte namentlich ab, Fraktionszwang gab es nicht. So fanden sich unter dem Entwurf eines Gegenantrags fraktionsüberschreitend die Namen von 66 Abgeordneten aller Oppositionsfraktionen, den größten Anteil stellten hier 27 LINKE-Abgeordnete. Der Entwurf wollte Beschneidungen ab dem 14. Lebensjahr erlauben und nur von Fachärzten ausführen lassen. Nach dem nun beschlossenen Gesetz dürfen auch weiterhin religiöse Beschneider, sogenannte Mohel, den Eingriff vornehmen. Für die LINKE vertraten im Plenum mit Luc Jochimsen (pro Regierungsentwurf) und Diana Golze (pro Alternativentwurf) die verschiedenen Standpunkte der Fraktion. Für Eltern könne der Weg ihres Kindes zu Gott, der Weg in die Religionsgemeinschaft existenziell sein, so Jochimsen. Diese religiösen Haltungen müsse man achten. Diana Golze: Man könne sich nicht glaubhaft für das Recht des Kindes einsetzen, wenn man gleichzeitig sage: Die Rechte des Kindes hören dort auf, wo Religion anfängt.

Das neue Gesetz »bedeutet, dass jüdisches und muslimisches Leben hier willkommen ist«, freute sich der Präsident des Zentralrats, Dieter Graumann, gegenüber der Agentur dpa in Frankfurt. In der Debatte im Plenum hatte die ehemalige Integrationsbeauftragte des Bundes Marieluise Beck (Grüne) formuliert, dass man jüdisches und muslimisches Leben nicht nur akzeptieren, sondern zu den Bedingungen von Juden und Muslimen akzeptieren müsse, wenn man nicht der These der deutschen Leitkultur folgen wolle.

Gerade in der Linkspartei hatten Kritiker auch den Alternativantrag als Kotau vor irrationalen und das Kindeswohl beeinträchtigenden Religionsriten kritisiert. Beschneidung sei Körperverletzung im Säuglingsalter ebenso wie mit 14 Jahren. Für den religionspolitischen Sprecher der Fraktion, Raju Sharma, einer der Einbringer des alternativen Antrags, ist dieser jedoch ein vertretbarer Kompromiss.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Vielen Dank!