Im Zweifel Stellenabbau

Krise beim »Freitag«

  • Jürgen Amendt
  • Lesedauer: 3 Min.

Bei der Wochenzeitung »Der Freitag« droht den Angestellten Ungemach. Bei dem von »Spiegel«-Erbe Jakob Augstein 2008 gekauften Blatt soll nach Verlagsangaben ein Viertel der Stellen wegfallen. Dem Vernehmen nach soll es neun Entlassungen geben. Geplant sei die Reduzierung des Politikteils und offenbar die Einstellung der Wissenschaftsseiten. Auch der Online-Auftritt der Zeitung soll nach Informationen aus Redaktionskreisen von den Kürzungen betroffen sein. Augstein begründet den Stellenabbau mit der stagnierenden Auflage des »Freitag«. Aktuell beträgt die verkaufte Auflage knapp 14 000 Exemplare.

Jakob Augstein ist Zeitungsverleger. Eine Zeitung, so das Mantra von uns Journalisten, ist mehr als ein Geschäft. Für eine Zeitung muss ein Verleger ein Interesse haben, das übers unmittelbare Geldverdienen hinausgeht. Als Journalist hat man gut reden. Ein Verleger aber darf auch das Monetäre nicht aus dem Blick verlieren, er muss Kosten und Ausgaben in der Waage halten. Ein schwieriger Balanceakt, gewiss. Schon die kleinste Unwucht kann zum Absturz führen. Prominentestes Opfer: die »Frankfurter Rundschau« (FR). Auf den ersten Blick wurde die FR durch die Krisenspirale aus zurückgehender Auflage, sinkenden Anzeigeerlösen und hohen Kosten in den Abgrund gezogen. Das Ende begann allerdings schon früher, als die Zeitung aufhörte, ein identifizierbares Gesicht zu haben. Nicht das Layout, der Anblick der Titelseite ist damit gemeint, sondern die Gedanken, die sich wie Furchen durch das Zeitungsgesicht ziehen und ihm ein unverwechselbares Antlitz verleihen. Die FR warf ihr linksliberales Image über Bord, tauschte Artikel mit der »Berliner Zeitung« aus. Verlegerisch begründet wurde das mit der Orientierung an Lesergewohnheiten, der Artikelaustausch mit »Synergieeffekten«. Was aber interessiert Leser wirklich? Kein Verleger, kein Journalist kann die Frage mit Gewissheit beantworten. Gewissheit müssen aber die Leser haben, dass Redakteure nicht nur Repetitorien des Augenblickgeschehens sind, sondern Ideengeber. Zeitungen dürfen nicht für ihre Leser schreiben, sie müssen ihren Lesern das Gefühl des Besonderen geben. »Dahinter steckt immer ein kluger Kopf« - damit umgarnt die FAZ seit vielen Jahren erfolgreich ihre Leser.

Ein mir bekannter Friseur hatte vor Jahren mit dem Spruch geworben »Wer will denn schon aussehen wie frisch vom Friseur«. Die Werbung funktionierte, obwohl die Frisuren der Frauen nach dem Haarschnitt tatsächlich nicht viel anders aussahen also vorher. Es war das Wissen, von einem Meister seines Fachs bedient worden zu sein, für den sein Beruf nicht nur bloßes Stutzen der Haarpracht ist, das das Publikum in den Salon strömen ließ. Das war nicht von Anfang an so. Es brauchte seine Zeit, bis der Salon schwarze Zahlen schrieb. Davon könnten Zeitungsverleger lernen. Zeitungsverleger zu sein, bedeutet Geduld haben zu müssen - und eine Überzeugung zu besitzen. »Im Zweifel links« hat »Spiegel«-Gründer Rudolf Augstein einst sein Magazin politisch positioniert. Sein Sohn hat sich für den Slogan »Im Zweifel Stellenabbau« entschieden.

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