Derivatehandel mit Nachspiel
Mailand verurteilte vier Großbanken zu Schadenersatz wegen Betruges
In Mailand sind vier internationale Bankinstitute - darunter die Deutsche Bank - wegen schweren Betrugs verurteilt worden. Sie haben, so sagt das Urteil, 2005 äußerst risikoreiche Derivate an die Stadtverwaltung verkauft, ohne sie ausreichend über die damit verbundenen Gefahren aufzuklären. Jetzt müssen sie je eine Million Euro Bußgeld zahlen; neun Funktionäre wurden zu Bewährungsstrafen von bis zu acht Monaten verurteilt.
Staatsanwalt Alfredo Robledo bezeichnete das Urteil als »historisch«. Endlich habe die Justiz Banken zur Transparenz verpflichtet. »Italien«, fügte er hinzu, sei für Banken in jenen Jahren »ein Land für regelrechte Überfälle und Eroberungen« gewesen. An Transparenz und wahrheitsgemäßen Informationen habe es 2005 gefehlt, als die Mailänder Gemeindeverwaltung mit der Deutschen Bank, UBS, JPMorgan und der Depfa Bank einen Umschuldungsvertrag abschloss. Der so genannte Zins-Swap habe der Stadt hohe Verluste und den Banken enorme Profite eingebracht.
Die Banken hatten einen hochkomplexen Handel mit Derivaten auf die Beine gestellt, den die Finanzabteilung der Stadt nicht durchschauen konnte. Nun wurden den verurteilten Geldinstituten insgesamt auch 88 Millionen Euro als unrechtmäßige Gewinne beschlagnahmt: Für die Deutsche Bank, JPMorgan (USA) und die irisch-deutsche Depfa Bank sind es je etwa 24 Millionen und für die UBS (Schweiz) 16 Millionen Euro.
Bereits im Vorfeld hatten sich Mailand und die Geldinstitute zivilrechtlich geeinigt - die Stadt hatte 476 Millionen Euro Schadensersatz erhalten. Dafür erklärte sie sich bereit, beim aktuellen Strafprozess nicht als Zivilkläger aufzutreten. Die Verbraucherorganisation Adusbef, die als einziger Zivilkläger beim Prozess zugelassen wurde, erhält fast 50 Millionen Euro Schadenersatz.
Deutsche Bank, JPMorgan und UBS haben bereits erklärt, dass sie in Berufung gehen werden: Sie seien sich keiner Schuld bewusst, ihre Angestellten hätten sich immer »korrekt« verhalten. In ihrer Verteidigung unterstrichen sie, alle geltende Gesetze eingehalten zu haben; zudem sei eine Finanzmetropole wie Mailand sicher in Geldgeschäften nicht »unbedarft« und habe Erfahrung mit komplexen Operationen. Den Banken könnte auch die Zeit zur Hilfe kommen: Die ersten Risikooperationen, um die es geht, dürften bereits Mitte Januar verjährt sein.
Trotzdem könnte das Urteil zum Präzedenzfall werden. In den vergangenen Jahren haben laut dem italienischen Finanzministerium 664 Kommunen, Provinzen und Regionen auf Anraten verschiedener Banken Derivate für 35 Milliarden Euro gekauft. Die Verluste belaufen sich auf 47 Milliarden, was etwa ein Drittel der Gesamtschulden dieser Verwaltungen ausmacht. Die Untersuchungsbehörden haben bereits die Swap-Verträge von 40 Gemeinden und 2 Regionen (Piemont und Toskana) unter die Lupe genommen und auch wenn die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen sind, wird geschätzt, dass etwa 25 Prozent dieser Geschäfte »suspekt« sind. Die Wirtschaftszeitung »Il Sole 24 Ore« geht davon aus, dass sich in den kommenden Monaten zumindest 45 geprellte Ämter an die Gerichte wenden und die Banken wegen Verletzung ihrer Informationspflicht verklagen werden.
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