Der Nelkenkrieg
Ein Streitgespräch über die Attraktivität der LL-Demo, Umgang mit Kritik und mit Stalinanhängern
Ellen Brombacher: Den Kampf um Frieden, um soziale Rechte und gegen Demokratieabbau. Es geht um Antifaschismus und weitestmögliche Bündnisse.
Kai Padberg: Luxemburg und Liebknecht haben immer am Ziel festgehalten, den Kapitalismus zu überwinden – und dafür auch in der SPD gestritten. Wichtig ist für uns auch ihr konsequenter Einsatz gegen Krieg und Militarismus. Und wir beziehen uns auf den Anspruch Luxemburgs an innerlinke Demokratie.
Das klingt nicht so, als müsste es, wie in diesem Jahr, zwei Gedenkdemonstrationen geben.
Padberg: Die Linksjugend solid hat sich seit mehreren Jahren nicht mehr an der Luxemburg-Liebknecht-Demonstration beteiligt, die seit 1996 von Friedrichshain nach Friedrichsfelde zieht. Ganz einfach, weil sich viele von dem Aufruf nicht mehr angesprochen gefühlt haben. Sie können sich nicht identifizieren mit einer Demo, bei der Stalin- oder auch Mao-Bilder gezeigt werden.
Brombacher: Zunächst einmal: Wir haben den festen Willen, nach dem 13. Januar, also nach der Demonstration, miteinander ins Gespräch zu kommen. Über den Aufruf müsste man dann im Einzelnen reden. Wenige Tage vor der Demonstration ist kein Zeitpunkt für Polemiken. Warum sind die Genossinnen und Genossen nicht schon vor einem oder zwei Jahren auf uns zugekommen, um mit uns über diese Problematik zu reden?
Hat es solid versäumt, diese Kritik deutlich zu machen?
Padberg: Die Kritik, die jetzt zu einem eigenen Bündnis geführt hat, ist doch seit Jahren bekannt. Nicht umsonst formulieren trotzkistische oder autonome Gruppen eigene Aufrufe mit deutlicherer Abgrenzung. Wir haben 2012 auf der Demonstration Aufkleber mit dem Konterfei von Luxemburg und dem Spruch von der Freiheit der Andersdenkenden und darunter ein »Josef Stalin gefällt das nicht« verteilt. Darauf haben wir gute, aber auch einige wütende Reaktionen bekommen.
Brombacher: Wir wollen auch keine Stalin-Bilder auf der LL-Demo. Das ist seit Langem unsere Position. Als im letzten Jahr eine Gruppe versuchte, sich mit einem Stalin-Transparent an die Spitze des Zuges zu setzen, ist die Demonstration nicht losgegangen, bis das Transparent dort verschwunden war. Auch die Besudelung des »Steins des Anstoßes« widerspricht unserer politischen Kultur. Wir sagen aber auch ehrlich, dass wir leider nicht verhindern können, dass in einer Demonstration von bis zu 10 000 Menschen ein paar Leute ein Stalin-Bild tragen.
Padberg: Die Ablehnung muss deutlicher formuliert werden. Warum ist auf der Homepage des LL-Bündnisses nicht auf den ersten Blick zu lesen, dass sich das Bündnis vorbehält, Menschen mit solchen Transparenten der Demo zu verweisen? Das würde bestimmte Leute abschrecken.
Warum schreibt das LL-Bündnis nicht einfach in den Aufruf hinein, dass das Gedenken an Luxemburg und Liebknecht mit Stalin und Mao unvereinbar ist?
Brombacher: Fragen wie diese müssen in der Auswertung nach diesem Wochenende diskutiert werden. Ich werde jetzt keine Aussagen treffen über etwas, was überhaupt noch nicht beredet ist.
Was ist aber Ihre persönliche Position?
Brombacher: Die Frage ist doch auch, ob man eine Demonstration, die es seit 1996 in der jetzigen Form gibt, auf dieses Problem reduzieren will. Nebenbei gesagt, jedes Jahr bei den Gewerkschaftsdemos am 1. Mai sind diese Gruppierungen auch mit den gleichen Transparenten. Ich habe noch nie erlebt, dass jemand auf die Idee gekommen ist, deshalb die Gewerkschaften des Stalinismus zu bezichtigen.
Sie sehen die Demonstration nicht als Veranstaltung des eher orthodoxen kommunistischen Spektrums? Organisationen, die sich aus den neuen sozialen Bewegungen der 80er Jahre oder den Autonomen entwickelt haben, wie auch große Teile der Linkspartei gehören doch dem LL-Bündnis nicht an. Die Linksjugend will den Aufruf nicht unterzeichnen.
Brombacher: Es sind immer auch junge Genossinnen und Genossen von solid mitmarschiert und so wird es auch in diesem Jahr sein. Außerdem ist unsere Demo wirklich breit aufgestellt, auch wenn Sie das anders sehen.
Padberg: Was in der Aufregung über die neue Demo unterschlagen wird: Wir werden uns dieses Jahr durchaus an der »alten« LL-Demo beteiligen. Zugleich wollen wir aber den GenossInnen, die keinen Bock haben, dass hinter ihnen Mao flattert, eine andere Option anbieten und unterstützen deshalb auch das Rosa-und-Karl-Bündnis. Die Initiative dafür ging allerdings mehr von den Falken aus.
Ein großer inhaltlicher Spagat – eigentlich schließen sich doch beide aus.
Padberg: Sicher. Aber unser Verband deckt das gesamte Spektrum der politischen Linken ab. Das Alternativbündnis hat eine sehr harte, aber berechtigte Kritik formuliert. Wir finden gut, dass darüber eine Diskussion angestoßen wurde, wie ein Gedenken aussehen kann, das die gesamte Linke mitnimmt. Außerdem beteiligen sich nun Gruppen, die sich eigentlich zurückgezogen haben, wieder am Gedenken. Das ist doch ein Erfolg.
Die Reaktionen auf das neue Bündnis waren ebenso scharf. Die »Kinder Noskes« dürften sich nicht in die Tradition von Luxemburg und Liebknecht stellten, hieß es, Bündnisse mit SPD-nahen Organisationen nicht geschlossen werden.
Brombacher: Von uns als LL-Bündnis hat es derlei Vorwürfe nicht gegeben.
Was halten Sie von dem Vorwurf?
Brombacher: In den vergangenen Jahren haben Falken und Jusos an der LL-Demo teilgenommen. Sie waren uns immer willkommen.
Padberg: Mich hat diese Kritik auch überrascht. Früher war es den Leuten, die das jetzt so scharf kritisiert haben, immer egal, wenn SPD-nahe sozialistische Organisationen mitgelaufen sind.
Wird es bei zwei Demos bleiben?
Padberg: Das wird sich zeigen. Wir sind an einer offenen solidarischen Diskussion interessiert. Spaltung hat die Linke nur selten gestärkt. Als Jugendverband wollen wir uns künftig intensiver mit dem Umgang mit linker Geschichte beschäftigen. Schlagworte wie Stalinismus und Dogmatismus sind zu wenig unterfüttert.
Alles wieder gut?
Brombacher: Es ist möglich, bei vorhandenen Differenzen ohne gegenseitige Denunziation miteinander zu reden – das zeigt dieses Gespräch. Ein Anliegen von mir wäre, dass wir uns gründlicher mit der Komplexität des Denkens und Handelns von Luxemburg beschäftigen und sie nicht auf zwei oder drei Zitate reduzieren. Diese Verkürzung wird ihr nicht gerecht. Wir müssen versuchen, das hinzukriegen.
LL-Demo-Bündnis
Seit 1996 organisiert ein Bündnis eine Liebknecht-Luxemburg-Demonstration mit mehreren Tausend Teilnehmern, die ab 10 Uhr vom U-Bahnhof Frankfurter Tor zur Gedenkstätte der Sozialisten in Friedrichsfelde führt. Daran beteiligen sich Mitglieder der Linkspartei genauso wie die DKP, kommunistische Organisationen, diverse Antifa-Gruppen, die MLPD und Migrantenorganisationen. Darüber hinaus organisiert das Bündnis eine Kranzniederlegung am Landwehrkanal. Diese Gedenkveranstaltung findet in diesem Jahr am 15. Januar statt und führt ab 17.30 Uhr von der Joachimsthaler Straße/Ecke Kurfürstendamm zum Gedenkstein im Tiergarten. www.ll-demo.deStilles Gedenken
Viele Besucher der jährlichen Ehrung nehmen nicht an der Demonstration vom Frankfurter Tor teil, sondern am »Stillen Gedenken«. Dabei gehen den ganzen Tag über Tausende Menschen zur Gedenkstätte der Sozialisten, um dort rote Nelken niederzulegen.www.die-linke.de
Rosa-und-Karl-Bündnis
Anfang Dezember ging ein neues Jugendbündnis mit einer scharfen Kritik an der traditionellen Demonstration an die Öffentlichkeit. Stein des Anstoßes sind Bilder von Stalin und Mao auf dieser Demo. Es organisiert deshalb in diesem Jahr eine alternative Demonstration, zeitgleich, am anderen Ort. Die Initiative wird getragen von der Sozialistischen Jugend Deutschlands – Die Falken, den Jusos Berlin, der DGB Jugend Berlin/Brandenburg sowie der Linksjugend solid. Die Gedenkdemonstration startet um 11 Uhr am Olof-Palme-Platz in Charlottenburg und führt im Tiergarten an dem Ort vorbei, an dem Karl Liebknecht ermordet wurde.rosaundkarl.blogsport.de
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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