Merry Christmas, Your Majesty

Britische Regierung macht Elizabeth II. sehr spezielles Geschenk

  • Reiner Oschmann
  • Lesedauer: 3 Min.

Zu berichten ist von einem besonders schönen Fall der feinen englischen Art. Von einer fabelhaften Idee, einer großen Geste, ach was: vom ultimativen Höhepunkt! Dem krönenden Abschluss des Jahres, in dem die Briten – und mit ihnen die Millionen offenen und heimlichen Royalisten in blassen Demokratien rund um den Globus - den 60. Jahrestag, das Diamantene Dienstjubiläum ihrer Herrscherin, Queen Elizabeth II. begingen. Erst mit dem Jubiläum selbst, das im Juni standesgemäß ins Regenwasser fiel, aber deswegen keinen der über eine Million Gratulanten entlang der Themse abschrecken konnte. Dann mit der umwerfenden Olympia-Eröffnung, zu der sich die Königin in Begleitung eines gewissen Mr. Bonds, James Bond, zu ihren Untertanen in den Olympiapark in London herabließ. Und nun, wenige Tage vor Ende des annus mirabilis, auch das noch: Die konservativ-liberale Regierung Cameron lädt kurz vorm Fest ihre Dienstherrin zur Teilnahme an einer Kabinettssitzung sowie zu einem Rundgang durch die in der Tat prächtigen Räume des Außen- und Commonwealth-Ministeriums im Herzen von Whitehall ein, um der Mutter der Nation ein weihnachtliches Geschenk der anderen Art zu überreichen.

Ganz gewiss ganz unvorbereitet verleiht Außenminister William Hague – übrigens der 22. britische Außenminister, seit »Lilibeth« 1952 den Thron bestieg – »zum Zeichen der Dankbarkeit des Landes für die Dienste der Königin einem Teil des Britischen Antarktischen Territoriums den Namen ›Queen Elizabeth Land‹. Dies ist ein angemessener Beitrag am Ende des Diamantenen Jubiläumsjahres Ihrer Majestät.«

Der erwähnte »Teil« des QEL ist keine Parzelle im Westentaschenformat, sondern ein in Form eines Dreiecks geschnittenes Territorium in der West-Antarktis. Mit 169 000 Quadratmeilen ist es doppelt (!) so groß wie das Vereinigte Königreich selbst und macht fast ein Drittel jenes Gebiets aus, das Britannien unter dem Antarktis-Vertrag von 1959 für sich reklamiert. Das Abkommen regelt die Rechtsverhältnisse für das Südpolargebiet und betrachtet es als internationalen Gemeinschaftsraum zu ausschließlich friedlicher Nutzung. Gebietsansprüche einzelner Staaten wurden durch den Antarktis-Vertrag weder bestätigt noch bestritten.

Diese bewusst konfliktdämpfende Vertragsformulierung für das rohstoffreiche Land- und Meeresgebiet mit mehr als 21 Millionen Quadratkilometern ändert nichts daran, dass das Geschenk an die eigene Königin sowohl Chile als auch Argentinien in Rage bringen wird. Beide bestreiten die Ansprüche des British Antarctic Territory und machen – ähnlich Argentiniens im Falle der Falklands im Südatlantik – selbst Souveränitätsforderungen geltend. Sie überschneiden sich teilweise mit den eiskalten Ansprüchen der Briten. Es bleibt daher reizvoll zu sehen, welche Folgen die Namenstaufe für einen Landstrich hat, der auf allen britischen Atlanten als Queen Elizabeth Land ausgewiesen und – so Hague – »ein einzigartiges und wichtiges Mitglied im Bund der 14 britischen Überseeterritorien sein« wird. QEL sei quasi der Arsch der Welt, schrieb der Londoner »Independent«. »Alle Farbe dort ist aus Land und Himmel gewichen, das Spektrum auf Graunuancen reduziert. Doch 100 Jahre nach dem Scheitern von Captain Scotts Expedition ist die Antarktis so etwas wie das ultimative Touristenziel geworden – nicht zuletzt, weil dieser Ort dem am nächsten kommt, was die meisten von uns mit dem Besuch eines fremden Planeten verbinden …«

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