Auch die Schnüffelei hat Grenzen

Wahlprüfungsausschuss des Bundestags beschäftigte sich mit der Überwachung von Abgeordneten

  • Fabian Lambeck
  • Lesedauer: 3 Min.
Deutschlands führendste Rechtsexperten äußerten sich am Donnerstag zur Überwachung der LINKEN durch den Verfassungsschutz. Zumindest in einem Punkt war man sich einig.

So genau weiß niemand, wie viele der 76 Bundestagsabgeordneten der LINKEN vom Verfassungsschutz beobachtet werden. Einem Bericht des »Spiegel« zufolge sollen es mindestens 27 sein. Darunter auch Fraktionschef Gregor Gysi und die Parlamentarische Geschäftsführerin Dagmar Enkelmann. Am Donnerstagabend beschäftigte sich der Wählprüfungsausschuss des Bundestags mit einem Antrag der Grünen, der endlich »Verfahrensregelungen« für die Bespitzelung einforderte. Es vertrage sich nicht mit dem freien Mandat, »dass Behörden heimlich Informationen über Abgeordnete sammeln und diese planmäßig überwachen«. Bislang kann der Geheimdienst nach Gutdünken agieren: Denn eine Kontrollinstanz des Bundestages, der ihm dabei auf die Finger schauen könnte, gibt es nicht. Auch, weil es an entsprechenden Gesetzen fehlt.

Die sechs vom Ausschuss geladen Rechtsexperten waren zumindest in einem Punkt einig: Eine uneingeschränkte Beobachtung über einen langen Zeitraum ohne zwischenzeitliche Prüfung hielten sie für unzulässig. Strittig hingegen war die Frage, ob es gesetzlicher Regelungen bedarf, um die Arbeit des Geheimdienstes im Bundestag zu zu kontrollieren.

Der ehemalige Berliner Hochschulprofessor Ulrich Battis sah »kein zwingendes Gebot, hier eine spezielles Gesetz zu machen«. Hingegen verwies der Düsseldorfer Staatsrechtler Martin Morlock auf die »verfassungsrechtlich besonders geschützte Position der Abgeordneten«. Deshalb müsse in jedem Einzelfall eine Zustimmung durch den Bundestag erfolgen. Etwa durch das Parlamentarische Kontrollgremium (PKGr), das ohnehin für die Nachrichtendienste des Bundes zuständig ist. Auch der Bielefelder Jurist Christoph Gusy hielt die Einbeziehung des Gremiums für sinnvoll. Das PKGr solle die Überwachung auch wieder stoppen können, so Gusy.

Für die stellvertretende Vorsitzende des Bundestagsrechtsausschusses, Halina Wawzyniak (LINKE), ist das Problem so nicht gelöst. »In einem solchen Gremium kann die Mehrheit immer beschließen, die Minderheit zu beobachten«, gab die Juristin gegenüber »nd« zu bedenken. Ein Punkt übrigens, der auch dem Parlamentarischen Geschäftsführer der Grünen, Volker Beck, sauer aufstieß. So fragte er, wie sich überhaupt verhindern ließe, »dass die Regierung die Opposition überwacht«.

Der Würzburger Rechtsprofessor Kyrill-Alexander Schwarz betonte, dass die Überwachung der Abgeordneten zulässig sei, »solange sich die Führungspersönlichkeiten nicht ausreichend von verfassungsfeindlichen Bestrebungen in der Partei distanziert haben«. Die offene Beobachtung von Parlamentariern, bei der nur allgemein zugängliche Quellen auswertet würden, sei schlicht und ergreifend eine »Bagatelle«.

Dem widersprach Martin Morlock: Schon das Bekanntwerden einer Beobachtung »stört die Kommunikation zwischen Wählern und Abgeordneten«. Dagmar Enkelmann konnte dies bestätigen: Sie habe erlebt, dass ein Wähler ein vertrauliches Gespräch nicht bei ihr im Wahlkreisbüro führen wollte, weil er Angst hatte, so ins ins Visier des Geheimdienstes zu geraten.

Für die LINKE ändert sich trotz der Anhörung erst einmal nichts: Die Bespitzelung - ob offen oder verdeckt - geht weiter. »Allerdings werden die Ergebnisse der Anhörung zum Bundesverfassungsgericht weitergeleitet«, so Dagmar Enkelmann gegenüber dieser Zeitung. Dort seien immer noch Klagen der Linkspartei gegen ihre Überwachung durch den Verfassungsschutz anhängig. Dass sich Deutschlands führende Juristen für eine zeitliche Begrenzung der Spitzelei aussprechen, dürfte auch die Karlsruher Richter interessieren.

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