Programm mit Sofortanspruch

87 Seiten Angebot der LINKEN zur Bundestagswahl

  • Uwe Kalbe
  • Lesedauer: 3 Min.
Gregor Gysi verteidigt in Interviews das achtköpfige Wahlkampf-Spitzenteam der LINKEN - als »Ausdruck breiter Kompetenz«. Nach der Personalfrage geht die Partei nun das Wahlprogramm an, auch ein Ausweis für die Kompetenz von Parteien. Der erste Entwurf wurde an die Mitglieder des Vorstands versandt.

Auf 87 schwergewichtig beschriebenen Seiten, die auch dem »nd« vorliegen, hat eine »Textgruppe« den ersten Entwurf der beiden Vorsitzenden für das Wahlprogramm der LINKEN niedergelegt. Einen Titel gibt es noch nicht - »Ideen sind herzlich willkommen«. So ist das bei vorläufigen Papieren.

Trotz beachtlicher Länge des Textes hatte die »Welt« im ersten Durchschauen nur zweimal den Begriff »Sozialismus« entdeckt, was dem Text in den Augen der Zeitung zusammen mit einer zweiten Feststellung wohl beinahe etwas Subversives verleiht. Dass nämlich die bisherige klare »Abgrenzung von rot-rot-grünen Koalitionsoptionen (den sogenannten roten Haltelinien)« in diesem Papier keine Rolle mehr spiele.

Doch, spielt sie. Wenngleich wie in Auftritten der Parteispitze in den letzten Monaten, in Interviews wie Papieren auch hier verschiedene Angebote an SPD und Grüne zur Zusammenarbeit unterbreitet werden, so ist auf die »Haltelinien« keineswegs verzichtet worden. So ist davon die Rede, dass die LINKE sich an keiner Regierung beteiligen werde, »die Personal- und Sozialabbau vornimmt«. Es wird festgestellt: »Wir werden uns an keiner Regierung beteiligen oder sie tolerieren, die öffentliche Infrastruktur privatisiert.« Und schließlich soll sich die Partei »nicht an einer Regierung beteiligen, die Kriege führt und Kampfeinsätze der Bundeswehr im Ausland zulässt«.

Aber anders als bisher erscheinen Kriterien und Mindestbedingungen einer Regierungsbeteiligung nicht als eigentlicher Zweck der Festlegungen. Sondern nun sind Entscheidungen aufgezählt, »die eine neue Regierung sofort treffen könnte«: Mindestlohn, Rentenerhöhung, Rücknahme des Renteneinstiegs erst mit 67 Jahren und Rentengerechtigkeit in Ostdeutschland, solidarische Bürgerversicherung, Vermögenssteuer, Abschaffung der Hartz-IV-Sanktionen und Anhebung der Hartz-IV-Sätze auf 500 Euro sowie Verbot von Waffenexporten - »das sind unsere Sofortforderungen für einen Politikwechsel«.

Wer allerdings auf diese Vorstellungen eingehen könnte, auch noch »sofort«, ist auf den ersten Blick nicht zu sehen. In der Summe dürften sie die Fantasie rot-grüner Regierungspolitiker deutlich überfordern. Und so zielt das Angebot nach wie vor eher auf die Nachfrage der eigenen Wähler als die Nachfrage potenzieller Koalitionspartner. Bei gleichzeitig erhöhtem Druck auf SPD und Grüne zur eigenen Stellungnahme.

Am Rande einer Klausur am Sonntag und Montag erst gefiel es namhaften Vertretern der SPD erneut, die Unvereinbarkeit ihrer Politik mit der der Linkspartei deutlich zu machen. Wie schwierig unter diesen Umständen ein Politikangebot an Rot-Grün zu formulieren ist, zeigt am Schluss des Wahlprogramms die Textpassage zur Frage, mit wem die LINKE »gemeinsam das Land verändern will«. Dies werde »noch weiter konkretisiert«, ist da zu lesen.

Der Entwurf soll den Planungen zufolge in zwei Wochen vom Vorstand beschlossen, danach der Öffentlichkeit vorgestellt und dann in fünf Regionalkonferenzen der Partei in öffentlicher Debatte erörtert werden. Im Juni wird ein Parteitag über den präzisierten Entwurf in Form eines Leitantrages entscheiden.

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