Von der Sonnenloipe zum Wasalaufsieg
Das Obergoms im Kanton Wallis ist eine der schneesichersten Regionen der Schweiz
Es war kein Skandinavier, der den legendären 89 Kilometer langen Wasalauf von Sälen nach Mora in der schwedischen Provinz Dalarna erstmals unter vier Stunden lief. Es war ein Gommer. Im Jahr 1983 blieb die Uhr bei 3 Stunden, 58 Minuten und 8 Sekunden stehen, als Konrad Hallenbarter aus Obergesteln im Schweizer Kanton Wallis die Schallmauer durchbrach und damit in die Geschichtsbücher des Skilanglaufs einging. Er lief im Schnitt 23 Kilometer pro Stunde - im klassischen Stil! Den ersten Wasalauf gewann der Schwede Ernst Alm 1922 in 7:32,49 Stunden. Nur sechs von bisher 90 Wasalaufsiegern waren bisher schneller als Konrad Hallenbarter, darunter Rekordhalter Jörgen Brink (Schweden, 2012: 3:38,41).
Koni Hallenbarter startete dreimal bei Olympischen Spielen und gewann zweimal den Gesamtweltcup. Die Erfolge der jungen Schweizer Läufer verfolgt er begeistert. Dario Cologna kommt zwar nicht aus dem Goms, sondern aus dem Münstertal, doch der Kontakt ist eng. »Im Sommer sind wir mit dem Rad über drei Pässe gefahren«, erzählt Hallenbarter,
Der Langlauf findet immer mehr Anhänger, so dass Konrad Hallenbarter, der in Obergesteln eine Langlaufschule betreibt, mehrere Trainer beschäftigt. Eine ist Silvia Wildi-Frey. Wer bei ihr Langlaufen nicht lernt, ist selbst schuld, so frisch, begeisternd und herzlich, wie sie den Sport in der weißen Spur rüberbringt. Nach unserem Unterricht wartet eine etwa 70-jährige Frau ungeduldig auf ihre nächste Lehrstunde. Sie stößt sich ab, skatet los - elegant. Silvia hat ganze Arbeit geleistet.
Zum Skilaufen kommt Koni Hallenbarter immer seltener, die Firma fordert zu viel Zeit. Doch die Teilnahme am Gommer Lauf ist Pflicht. Den Volkssportlauf, der am 23./24. Februar zum 41. Mal stattfindet, hat er siebenmal gewonnen. Nun ist er mit dem Mikrofon dabei und begleitet den internationalen Lauf über 30 Kilometer als Kommentator im Panorama-Extrazug der Matterhorn Gotthard Bahn.
Ein junger Mann namens Hallenbarter ist heute auf den Loipen der Welt unterwegs, inzwischen mit Gewehr auf dem Rücken. Biathlet Simon Hallenbarter ist der Neffe von Koni Hallenbarter. Er stammt ebenso aus dem Obergoms - dem Tal der schnellen Skiläufer - wie Nationalmannschaftskollege Benjamin Weger.
Das Goms ist ein von Dreitausendern umrahmtes Hochtal, das sich über fünfzig Kilometer von Brig bis nach Gletsch am Fuß des Rhonegletschers erstreckt. Das Obergoms liegt zwischen den Orten Niederwald und Oberwald und gilt als schneesicheres Paradies für Langläufer. Rund 100 Kilometer Loipen für klassischen Lauf oder Skating stehen den Langläufern zur Verfügung. Die Loipen verbinden zwölf Dörfer im Obergoms miteinander. Außerdem gibt es zwischen Obergesteln und Ulrichen eine vier Kilometer lange Nachtloipe. Die Hauptstrecke ist die flache Rottenloipe (22 Kilometer) entlang der Rhone. Auf der Nordseite des Hochtal befindet sich die Sonnenloipe (8 Kilometer). Wenn dem Langläufer doch mal die Puste ausgeht, kann er in jedem Ort in die Furka Oberalp Bahn einsteigen und nach Hause fahren.
Wer Schnee liebt, dem Langlauf aber partout nichts abgewinnen kann, kommt im Goms auch auf seine Kosten. Geschwindigkeitsfans können es dennoch gemächlich angehen lassen. Hoch über Oberwald, am Restaurant »Rhonequelle« startet eine Pistenraupe. Eine Stunde dauert die Fahrt mit Bernd und Günter auf den Grimselpass. Mit Traumblick auf aneinandergereihte Drei- und Viertausender. Bernd ist Walliser. Der hagere Günter, der ein bisschen aussieht wie der Alm-Öhi, murmelt in seinen langen weißen Bart: »Kennt ihr doch eh nicht, wo ich herkomme.« Als er hört, dass wir das thüringische Pößneck doch kennen, wird er etwas gesprächiger. Das Leben hat ihn vor Jahren hierher verschlagen. Was ist, wenn die Raupe hier oben streikt? »Kein Problem, das reparieren wir selbst. Ich pass' da drunter.« Viel gibt er nicht von sich preis. Auch deshalb fühlt er sich in der einsamen Bergwelt so wohl.
Endstation Grimselpass - 2164 Meter. Höher fährt die Raupe nicht. Im Sommer ist der Pass bevölkert von Motorrad- und Fahrradfahrern. Jetzt sind Winterwanderer, Schneeschuhläufer und Skiläufer unterwegs. Für den Weg nach unten gibt es ein Fahrzeug, das viel schneller ist als die Raupe, Es ist etwa 15 Kilo schwer und aus Metall, an dem bei der Kälte hier oben fast die Finger festfrieren. 14 Kilometer sind es bis ins Tal. Zuerst geht die Fahrt rasant ab und mancher macht ungewollte Bekanntschaft mit dem Schnee. Es hatte doch Sinn, das Handgelenk per Seil mit dem Schlitten zu verbinden, sonst kann es schon mal passieren, dass das Gefährt schneller unten ist. Die letzten Kilometer sind durchwachsen. Nicht nur der Neuschnee bremst die Fahrt. Auch tiefe Löcher auf der Piste, »geschlagen« von Vorausfahrenden, die zum Steuern lieber ihre Füße benutzten, als es mit der Verlagerung des Körpergewichts zu meistern.
Um zur »Rhonequelle« zu kommen, ist ein bisschen Mühe nötig. In Oberwald werden die Schneeschuhe unter die Stiefel geschnürt und los geht es nach oben durch stille, mit meterhohem Schnee bedeckte Wälder. Eine Art Spikes unter den »Yeti-Füßen« verhindert das Rutschen. Eine Stärkung mit Walliser Spezialitäten in der »Rhonequelle« bei Peter und Eliane Kalbermatten ist wärmstens zu empfehlen - Kulturprogramm inklusive: Walliser Mundartgedichte, von Peter vorgetragen.
Der Gommer Lauf startet in Blitzingen. Hier lebt Peter Gschwendtner, der sportlich lieber hoch hinaus will - bis auf über 8000 Meter. Mit seiner Frau Brigitte führt er das Hotel »Castle«. Doch wenn im April die Wintersaison zu Ende geht, packt Peter Gschwendtner seit Jahren seine Bergsteigerausrüstung ein und geht auf große Tour. Nepal, Tibet ... Seine Frau sieht das nicht so gern, zu groß ist die Angst, dass er nicht heil nach Hause kommt. »Ich verspreche meiner Familie jedes Mal, dass mein Oberstes Ziel nicht der Gipfel ist, sondern gesund nach Hause zu kommen.« 2004 stand er oben auf dem Mount Everest. Die Tour, die er diesmal in Angriff nimmt, ist eine ganz besondere. Es geht nach Tibet. Zum Shisha Pangma, mit 8027 Metern niedrigster Achttausender. Doch nicht der Berg ist das Ziel, sondern die Hilfe für einen Bergkameraden, einen Freund. Kilian Volken war im Juli 2012 der einzige Überlebende einer zehnköpfigen Bergsteigertruppe, die am Mont Blanc von einer Lawine verschüttet wurde. Peter will ihm mit dieser gemeinsamen Tour helfen, dieses Drama zu verarbeiten.
- Infos: Schweiz Tourismus, Postfach 16 07 54, 60070 Frankfurt am Main, Tel.: (00800) 100 200 30 (gebührenfrei), Fax: (00800) 100 200 31, E-Mail: info@myswitzerland.com, Internet: www.MySwitzerland.com
- Obergoms-Tourismus AG: Furkastr. 53, 3985 Münster, Tel.: (0041) 27 974 68 68, Fax: (0041) 27 974 68 69, E-Mail: tourismus@obergoms.ch, www.obergoms.ch, www.gommerlauf.ch
- Langlauf: Koni Hallenbarter, Mattenstraße 10, 3988 Obergesteln, Tel.: (0041) 27 973 27 37, Fax: (0041) 27 973 26 69, E-Mail: koni.hallenbarter@bluewin.ch, www.koni-hallenbarter.ch
- Hotel Castle: Familie Gschwendtner, 3989 Blitzingen, Tel.: (0041) 27 970 17 00, Fax: (0041) 27 970 17 70, E-Mail: info(at)hotel-castle.ch, www.hotel-castle.ch
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