Kunst und Markt: Talfahrt mit Glitzern

Wenn das Jenseits Konjunktur kriegt: Die Februarauktionen in London

  • Diego Castro
  • Lesedauer: 4 Min.

Die letztjährigen Auktionsergebnisse von Christie's und Sotheby's scheinen das Karl Marx zugeschriebene Zitat zu bestätigen: »Wo der Glaube ans Diesseits zerfällt, kriegt das Jenseits Konjunktur.« 2012 sackten die Ergebnisse für zeitgenössische Kunst weiter ab. In der aktuellen Wirtschaftskrise konzentrierte man sich lieber auf die Werke verstorbener Künstler. Historisch abgesicherte Werke des Impressionismus und der klassischen Moderne versprechen da eher krisensicheres Investment. Mit anderen Worten: In der Rezession boomt der Kunstmarkt zwar. Für die bevorstehenden Contemporary-Auktionen in London ab dem 12. Februar drohen jedoch weitere Einbrüche. Auf der jüngsten ArtTactic-Rangliste der besten zeitgenössischen Künstler sind die All-Stars des Hochpreissegments dramatisch gefallen. Spitzenreiter Gerhard Richter rutschte auf Platz 7. Der britische Kunst-Star Damien Hirst stürzte sogar auf Platz 89.

1991 eroberte der medienbewusste Hirst mit Skulpturen aus in Formaldehyd eingegossenen Tieren die Herzen einer neuen Sammlergeneration. Mit Höchstpreisen wurde er zum Inbegriff der Young British Art. YBA, so das Kürzel jenes publicity-trächtigen Kunstlabels der neunziger Jahre, war eine konzertierte Aktion von Sammlern, Galeristen und Presseleuten. Hauptsächlich Absolventen des Goldsmiths College waren es, die mit milder Schock-Kunst den stagnierenden britischen Kunstmarkt wiederbeleben sollten. Analog zu Tony Blairs triumphalen Wahlerfolg, zur Brit-Pop-Welle und zum wirtschaftlichen Aufschwung gewann die YBA an Bedeutung. Vom Underground stieg sie steil auf und etablierte sich zur Vorzeigekunst eines neuen britischen Selbstbewusstseins. Nicht zuletzt durch das Engagement des Werbemultis und spekulativen Kunsthändlers Charles Saatchi geriet die neue britische Kunst zu einem Produkt, das vielleicht mehr Pop als Art war. Doch der Glanz sollte weichen. Vermehrt unterstellten Kritiker dieser Kunst mangelnde Substanz. Inflationär behauptete Sensationen und Schocks wurden zum Charakteristikum einer Marke, die ebenso schnell an Wert verlor, wie sie rasant gewachsen war.

Nach dem kurzen Boom begann Großbritanniens Wirtschaft zu kriseln. Der Traum vom neoliberalen Überflug war ausgeträumt. New Labour hatte sich nicht bewährt. Britpop war out. Tony Blairs Popularität im Keller. Die Barings Bank bankrott. Auch die Kunst hatte zu hoch gepokert. Selbst wenn sich Einige halten konnten und mit Preisen und Professuren bedacht wurden; die Marktwerte fielen unaufhaltsam. 2004 wurden bei Saatchi durch einen Großbrand wichtige Schlüsselwerke der YBA zerstört. 2007 begann die Banken-Krise und Tony Blair verlor sein Amt. Im selben Jahr erschuf Damien Hirst, bereits angeschlagen, das Werk »For the love of god«. Die Skulptur, ein mit Diamanten besetzter Schädel, sollte das teuerste Kunstwerk eines lebenden Künstlers weltweit werden. Schlappe 50 Millionen britische Pfund wurden für das Werk des medienbewussten Künstlers angesetzt. 8601 Diamanten bedecken den Abguss eines menschlichen Schädels aus Platin. Auf der Stirn ist gar ein 52-Karäter eingelassen. Allein die Produktion der Skulptur kostete offiziell 14 Millionen Pfund.

Wie kein anderes Kunstwerk steht es für die Kurzlebigkeit der Kunsthypes. Mehr noch, belegt es fast seismographisch die Auswirkungen der Sub-Prime-Krise auf die Realwirtschaft. Die Risikobereitschaft, in zeitgenössische Kunst zu investieren, schwand mit der Prognosefähigkeit erschütterter Märkte. Der gesamte Contemporary-Sektor ist bis heute davon betroffen.

Doch Not macht erfinderisch. Auf einen Pressebericht, demzufolge besagtes Werk unter Preis verscherbelt werden sollte, reagierte Hirst umgehend. Angeblich verkaufte er es zum vollen Preis an ein geheimes Konsortium, dem auch er angehöre. Die Bezahlung sei unquittiert und in bar erfolgt. In Kunstkreisen kursiert seither das Gerücht, ein Verkauf habe nie stattgefunden. Vielmehr sei es ein Versuch, Hirsts Marktpreis neu zu positionieren. Auch die angeblichen Produktionskosten werden bezweifelt. Diese beliefen sich höchstens auf sieben bis zehn Millionen, so ein Experte der Londoner Diamanten-Börse.

Das Kunstwerk bezeugt so auf ganz unerwartete Weise seine inhärente Botschaft: Memento mori, Gedenke deiner Sterblichkeit. Wer auch immer der Adressat dieser Botschaft ursprünglich sein sollte - das Hochpreissegment des Kunstmarkts oder gar die Konsumgesellschaft - jetzt heißt es return to sender! Die Mär vom fingierten Verkauf und der fiktionalisierte Wert des überteuerten Kunstwerks waren schlechte Publicity für Hirst. Sein Marktwert blieb davon jedenfalls nicht verschont. Sotheby's bot letzten Dienstag eines seiner Werke von 1995, das 2006 noch für 3,4 Millionen Dollar ersteigert wurde, für nur noch 1,8 bis 2,5 Millionen Pfund an.

Wird symbolisches Kapital zu sehr hinterfragt, gilt es Vertrauen zu schaffen, um Krisen abzuwenden. Der junge Kunstmarkt muss also für ein besseres Investorenklima mehr Sicherheit vermitteln. Auch hier kann die Kunst von der Wirtschaft lernen. Nach den Implosionen der Marktblasen fangen die Rettungsschirme die Talfahrt ab. Ein ähnliches Sicherheitskonzept fehlt diesem Kunstmarktsektor. Doch Hilfe kommt von ganz unerwarteter Seite:

Swarovski, der österreichische Hersteller erlesenen Schmucks, stellte vor einigen Tagen ein Accessoire vor, das endlich verschwenderische Schönheit mit der nötigen Sicherheit kombiniert. Der Swarovski-Helm, ein Fiebertraum in Feinschliffglas. Nicht etwa billiger Strass, sondern Bling-Bling für den gut gefütterten Geldbeutel. Was beim Shoppen mit der Vespa in Saint-Tropez oder auf der Piste in St.Moritz neidvolle Blicke erntet, könnte nun auch dem britischen Künstler in seiner wohl bittersten Krise helfen. Damien Hirst ist der Kauf der bizarren Kopfbedeckung zu empfehlen. Auf den diamantenen Schädel gesetzt, verspräche diese endlich Sicherheit mit Dividende!

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