Maximal offen
In Bremen wird um Sonntagsöffnungen gestritten
»Oberstes Ziel muss es sein, eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht zu vermeiden«, so Bremens parteiloser Gesundheitssenator Herrmann Schulte-Sasse. Es geht um kleinteilige Lokalpolitik - mit Zündstoff. Im Rahmen langer und »schmerzhafter« Gespräche, wie Schulte-Sasse anmerkte, sei es vor vier Jahren gelungen mit vielen gesellschaftlichen Akteuren wie Kirchen, Gewerkschaften, Einzelhandelsverband in der Frage der außerordentlichen Sonntagsöffnungen einen Kompromiss zu finden. Der sieht vor, dass an höchstens neun Sonn- oder Feiertagen zu maximal 15 Veranstaltungen an ebenso vielen Orten Geschäfte öffnen dürfen. Für jedes Jahr reicht der Einzelhandelsverband eine Liste ein, die in der Deputation für Gesundheit erörtert und beschlossen wird, um sie als Verordnungsentwurf dem Bremer Senat zuzuleiten.
Den steinigen Weg der Konsensbildung war Schulte-Sasse in Bremen gegangen aufgrund unangenehmer Erfahrungen in Berlin, wo er von 2002 bis 2007 Staatssekretär für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz war. Das Bundesverfassungsgericht hatte ein dort verabschiedetes Gesetz gekippt, nachdem Kirchen geklagt hatten.
Obwohl es in Bremen diesen Konsens gibt, sorgt die Wunschliste der Sonntagsöffnungen jedes Jahr für Unmut. Die Tücke steckt im Detail. Ver.di Bremen und auch der Bremer DGB sowie die Arbeitnehmerkammer verstehen unter »maximal«, dass nicht in jedem Jahr das Kontingent voll ausgeschöpft wird. So moniert Marion Salot, Referentin für Wirtschaftspolitik der Arbeitnehmerkammer, dass bereits die Abschaffung der Ladenschlusszeiten an Werktagen zu Belastungen der Arbeitnehmer im Einzelhandel führe und deshalb der Freigabe an Sonntagen nur für außergewöhnliche Anlässe zuzustimmen sei.
Sandra Schmidt, ver.di-Sekretärin für den Handel, hat die Deputierten im Vorfeld darauf hingewiesen, dass nicht für alle in diesem Jahr angemeldeten Sonntagsöffnungen alle geforderten Kriterien zutreffen: Zum Einen stehen nicht alle betroffenen Beschäftigten unter dem Schutz betrieblicher Interessenvertretungen oder Tarifverträge. Zum Anderen erfüllten nicht alle Anlässe die Vorgabe, aus sich selbst heraus Publikumsmagnet zu sein.
Nun ging es in der entscheidenden Deputationssitzung aber gar nicht um die kritischen Anmerkungen bezüglich der Länge der Liste, sondern im Gegenteil verlangte Rainer Bensch (CDU), noch eine Ausweitung, um Streit zwischen zwei benachbarten Stadtteilen zu vermeiden. Laut Bensch ist eine der Veranstaltungen in einen Nachbarstadtteil abgewandert, wurde aber noch unter dem selben Titel von dem Stadtteil beantragt, in dem das Event die Jahre zuvor angesiedelt war. Schutz und Rechte der betroffenen Arbeitnehmer spielten in der folgenden, leicht hitzigen Diskussion keine Rolle mehr.
Bensch saß die Angst im Nacken, in »seinem« Bezirk, dem CDU-Kreisverband-Bremen-Nord, könne eine böse Nachbarschaftsfehde ausbrechen. Schulte-Sasse wollte auf keinen Fall noch einmal riskieren, dass ein Ladenschlussgesetz von einem Gericht kassiert wird. Der Rest der Deputierten - zumeist Fachleute für Gesundheit - hatte Mühe, die Problematik zu durchdringen. Am Ende galt, was Schulte-Sasse bereits zu Beginn klar gestellt hatte: Am mühsam erarbeiteten Kompromiss wird nicht gerüttelt. Bevor der Verordnungsvorschlag in den Senat kommt, wird geklärt, in welchem Stadtteil in diesem Jahr der Zankapfel, will sagen die »echte« Veranstaltung mit dem klangvollen Namen »Maison & Jardin« läuft.
Deputationen
Im Bundesland Freie Hansestadt Bremen wird die Gesetzgebung durch den Senat von Deputationen vorbereitet. Diese Ausschüsse tagen unter der Leitung des zuständigen Senatsmitglieds. Deputierte müssen nicht unbedingt der Bremischen Bürgerschaft angehören. Auch BürgerInnen mit Fachkenntnissen werden in Deputationen gewählt.
Es gibt Deputationen für die Stadtbürgerschaften Bremens und Bremerhavens sowie eine Deputationen für den Landtag.
alba
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