Kleider machen H.E.S.S.

Der gefeuerte Amazon-Dienstleister und die Nähe zu Neonazis

  • René Heilig
  • Lesedauer: 3 Min.
Katastrophale Arbeitsbedingungen und schikanöse Überwachung - das Online-Versandthaus Amazon ist erwischt worden, zeigt sich zerknirscht und gelobt Besserung. Doch bislang hörte man nicht, dass man künftig auch jede Zusammenarbeit mit Rechtsextremisten meiden wird.

Amazon hat angeblich hohe Standards. Wirklich? Es ist doch kaum drei Jahre her, da hat das American Jewish Committee (AJC) die Onlinehändler angezählt, weil die verbotene Neonazi-Machwerke verkauften. Rund 50 einschlägige Bücher pries man an. Darunter war der Holocaust-Leugnungsklassiker »Der Auschwitz-Mythos« von Wilhelm Stäglich.

Erst nach massiven Protesten schloss man im selben Jahr die NPD vom Mitverdienen aus. Immer wenn jemand den auf der NPD-Website »Nationales Netztagebuch« vorhandenen Amazon-Link anklickte, klingelte es in der Parteikasse. Das war sogar dem Verfassungsschutz übel aufgefallen.

Glaubt man dem Unternehmen, so hat auch das jetzt in Kritik stehende Sicherheitsunternehmen, das die Leiharbeiter wie Zwangsarbeiter behandelt hat, keinerlei Verbindungen zu Rechtsextremisten. Obgleich der Name H.E.S.S. so einen Verdacht aufkeimen lässt.

Nicht aber bei H.E.S.S.-Chef Patrick Hensel. Der ist »überhaupt nicht auf die Idee gekommen, dass so eine absurde Verbindung hergestellt werden könnte«. Man sei ein »politisch und weltanschaulich neutrales Unternehmen«, betont die Firma. Und natürlich ist die Kleidung der Mitarbeiter kein Ausdruck von Gesinnung. Auch nicht, wenn sie Thor Steinar, ein Erkennungsmerkmal der Neonazi-Szene tragen? Wer solches auf seinem Leib trägt, hat in Universitäten, im Bundestag wie in Landtagen und sogar in vielen Fußballstadien Hausverbot.

Amazon musste das wissen, schließlich sah sich der Konzern 2009 - abermals nach Protesten - gezwungen, diese Marke aus dem Angebot zu nehmen. Andere Mitarbeiter der Security-Firma tragen Kleidung von »Commando Industries«. Sie wird auch von H.E.S.S., vertrieben. Ein Zufall?

»Commando Industries« entstand, nachdem 2002 die Firma »Outfit-Freizeit«, die ein gewisser Werner Kahl mit seiner Frau betrieb, in Konkurs geraten war. Zu ihr gehörten über 20 Niederlassungen in Nordrhein-Westfalen, Hessen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen sowie zwei Läden in Kassel. Im Angebot war alles, was den modebewussten Neonazi anzieht: »Lonsdale«, »Doc Martens«, »Urban Rangerz«, »Fred Perry«, »Gangland«.

Nun betreibt Kahl »Commando Industries«. Das ist - wie man im Internet lesen kann - wiederum ein »familiäres Team«. Stimmt, »Familienvater« Kahl betreibt es mit Tochter Alexandra. Der Modestil ist unverändert. Abermals gibt es Klamotten von »Dobermann - Deutschland«. Zitat Firmenwerbung: »Diese Marke richtet sich an Freunde der etwas härteren Gangart.«

Die mag Kahl. 1981 beispielsweise legte er im Namen einer »Rassistischen Liga« Sprengsätze unter Autos von Migranten. 1984 wurde er wegen Hehlerei mit gestohlenen Pistolen und Maschinenpistolen verurteilt, 1998 gab es erneut ein Ermittlungsverfahren wegen Waffenhandels. Auch im Jahr 2000 war Kahl »einschlägig« tätig. Er demonstrierte für »Großdeutschland« und schlug einen Gegendemonstranten mit einem Knüppel reif fürs Krankenhaus.

Das Auktionshaus eBay.de versucht, aus der Amazon-Pleite zu lernen. Es hat eiligst zahlreiche Nazi-Marken von der Auktionsplattform heruntergenommen. Das gilt auch für »Commando Industries«-Erzeugnisse. Und was macht Amazon? Nichts, das Unternehmen hat so viel mit seinen hohen Standards zu tun.

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