Müssen Angehörige Mutters Pflegeheimplatz bezahlen?
Leserfragen rund um die Pflege
Was passiert, wenn ein Pflegebedürftiger den Eigenanteil für einen ambulanten Dienst oder eine stationäre Einrichtung nicht mehr bezahlen kann? Haften dann die Kinder für die Eltern?
Charlotte G., Greifswald
In einem solchen Fall springt zunächst einmal das Sozialamt ein. Das allerdings muss prüfen, ob von dessen Kindern das Geld zurückgeholt werden kann. Denn laut Paragraf 1601 des Bürgerlichen Gesetzbuches sind Verwandte ersten Grades einander unterhaltspflichtig.
Allerdings gibt es eine Rangfolge: Zuerst muss der eigene Bedarf, dann der des Ehepartners, dann der der Kinder und der Enkel abgesichert sein. Erst wenn danach noch etwas »übrig« ist, müssen die Eltern unterstützt werden.
Sobald der Antrag des Pflegebedürftigen vorliegt, muss das Sozialamt die Einkommenssituation der Kinder prüfen. Um dieses Verfahren nicht unnötig in die Länge zu ziehen, sollte zuvor eine kompetente Pflegeberatung in Anspruch genommen werden.
Für gesetzlich Versicherte ist die eigene Pflegekasse zuständig. Wo es sie gibt, können auch Pflegestützpunkte helfen. Ansprechpartner aller privat Versicherten ist die Compass-Pflegeberatung. Die im Sozialgesetzbuch XI vorgeschriebene Pflegeberatung ist für alle Versicherten grundsätzlich kostenfrei.
Maßstab für die Berechnung des möglichen Elternunterhalts ist nicht das Brutto, sondern das »bereinigte Einkommen«. So werden beispielsweise die Beiträge zur Kranken-, Pflege-, Arbeitslosen- und Rentenversicherung abgezogen.
Gleiches gilt für Aufwendungen zur eigenen privaten Altersvorsorge, Unterhaltsleistungen für die eigenen Kinder, berufsbedingte Aufwendungen, Kreditzinsen und Rücklagen etwa für das Auto oder die Sanierung des Hauses und etliches mehr.
Private Renten- oder Lebensversicherungen muss man nicht kündigen, um die Pflegekosten der Eltern zu bezahlen. Auch das Haus des Kindes steht nicht zur Disposition. Allerdings erhöht ein fiktiver Mietvorteil das Einkommen, wenn man im eigenen Haus wohnt. Zurückverlangt werden können zudem Schenkungen des Pflegebedürftigen innerhalb der letzten zehn Jahre. Auch wird das »Armrechnen« des Pflegebedürftigen - etwa wenn seine Konten schnell noch auf sein Kind umgewidmet werden - nicht goutiert.
Vom bereinigten Einkommen stehen dem unterhaltspflichtigen Angehörigen bestimmte Freibeträge zu: Das sind 1500 Euro monatlich für das Kind und weitere 1200 Euro für den Ehepartner. Vom darüber hinausgehenden Betrag kann die Hälfte für den Elternunterhalt herangezogen werden.
Die Berechnungen sind immer von der individuellen Situation abhängig und damit recht kompliziert. Außerdem spielen bei Angestellten und Selbstständigen unterschiedliche Faktoren eine Rolle.
Ich bin pflegebedürftig und muss einen ambulanten Pflegedienst in Anspruch nehmen. Kann ich diesen Dienst für ein ganz konkretes Zeitvolumen engagieren?
Fritz P., Neuenhagen
Seit dem 1. Januar 2013 haben Pflegebedürftige erstmals das Recht, die Pflegekraft eines ambulanten Dienstes für einen fest vereinbarten Zeitumfang zu engagieren. Das kann beispielsweise zweimal eine Stunde pro Tag sein. Geregelt ist das im neuen Paragrafen 37 Abs. 3 Nr.1 des Sozialgesetzbuches XI.
Welche konkrete Unterstützung er in dieser Zeit haben möchte, entscheidet der Pflegebedürftige selbst. Bisher konnte er nur sogenannte Einzel- oder Komplexleistungen wählen (kleine Körperpflege oder Zubereitung einer warmen Mahlzeit). Weil ambulante Pflegedienste bei diesem Verfahren pro Leistung bezahlt werden, war und ist die Minutenpflege keine Ausnahme. Zu warten, bis der Pflegebedürftige die warme Mahlzeit auch gegessen hat, gehört nicht zum Leistungskomplex. Mit der neuen Regelung wird nicht nur stärker den Bedürfnissen des Pflegebedürftigen entsprochen: Auch für die Pflegekräfte ist dies eine enorme Entlastung.
Die ambulanten Dienste sind ab 1. Januar verpflichtet, den Pflegebedürftigen auf die neue Wahlmöglichkeit hinzuweisen und entsprechende Angebote vorzulegen. Die Entscheidung des Pflegebedürftigen für eine der Varianten oder eine Kombination aus beiden ist laut Gesetz im Vertrag zu dokumentieren.
Gesetzlich Versicherte wenden sich wegen Informationen über Pflegedienste an ihre Pflegekasse oder einen Pflegestützpunkt. Für privat Versicherte ist bundeseinheitlich die Compass-Pflegeberatung zuständig. Zu beachten ist: Die Pflegeberater dürfen zwar über die Leistungsangebote informieren, doch keinen Pflegedienst empfehlen. Die Beratung muss neutral erfolgen. Sie ist laut SGB XI kostenfrei.
Wie teuer eine Stunde ambulanter Hilfe ist, variiert je nach Bundesland und Pflegedienst. Eine grobe Orientierung bieten entsprechende Vergütungsvereinbarungen in Bayern. Dort konnten schon 2012 Leistungen der Grundpflege - dazu zählt beispielsweise die Körperhygiene - in allen drei Pflegestufen nach Zeitaufwand abgerechnet werden. Eine Stunde kostet bei einem privaten Pflegedienst 30 Euro. Übernehmen Praktikanten oder Bundesfreiwillige diese Aufgaben, werden 9,98 Euro pro Stunde abgerechnet. Dienste, die einem Wohlfahrtsverband angehören, können bei Pflegestufe III Leistungen der Grundpflege mit 32,40 Euro gegenüber der Pflegekasse abrechnen. 12,60 Euro pro Stunde dürfen für die Arbeit von Praktikanten oder Bundesfreiwilligen berechnet werden. Hinzu kommen noch die Anfahrtspauschalen pro Einsatz. Die liegen zwischen 3,61 Euro am Tag und 5,58 Euro in der Nacht.
Maßstab der neuen Zeitvergütung ist der tatsächliche Zeitaufwand in der Wohnung des Pflegebedürftigen. So ist es laut Gesetz nicht zulässig, je angefangene Viertelstunde eine anteilige Stundenvergütung zu berechnen. Die Gesetzesregelungen findet man im Internet unter www.bmg.bund.de.
Uwe Strachovsky
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