Die braune Last der GEW

Hamburger Gewerkschaft verkauft strittige Villa

  • Folke Havekost, Hamburg
  • Lesedauer: 3 Min.
Die GEW in Hamburg sah sich seit Jahren Vorwürfen ausgesetzt, von der NS-Arisierungspolitik profitiert zu haben. Jetzt versucht die Gewerkschaft den Befreiungsschlag.

Eine Hamburger Gründerzeit-Villa sorgt seit Jahren für Diskussionen. Bis 1935 hatte das Gebäude jüdische Eigentümer, nach 1945 ging es in den Besitz der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) über. Diese sah sich bald Vorwürfen ausgesetzt, von der NS-Arisierungspolitik zu profitieren. Jetzt verkaufte die GEW das Gebäude an der Rothenbaumchaussee 19 (Ro 19) für 2,5 Millionen Euro an den jüdischen Verein Chabad Lubawitsch - weit unter dem Marktwert. Und sie spendete außerdem 400 000 Euro an die Jüdische Gemeinde, »um einen Beitrag zur Stärkung jüdischen Lebens in Hamburg zu leisten«.

150 000 Euro Miete

Shlomo Bistritzky von Chabad Lubawitsch sprach von einer »konstruktiven Lösung der Auseinandersetzungen in der Vergangenheit«. Sein Verein werde das Gebäude nutzen, »um das Angebot der Jüdischen Gemeinde in Hamburg zu ergänzen«. Die GEW »leistet einen wichtigen Beitrag dazu, jüdisches Leben in Hamburg aufblühen zu lassen«, so Bernhard Effertz, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde.

Ob die innergewerkschaftliche Debatte über Ro 19 damit beendet ist, bleibt fraglich. Die viergeschossige Villa im Universitätsviertel wurde 1877 gebaut und sah bis zur Machtübernahme der NSDAP mehrere jüdische Eigentümer. Im April 1935 erwarb der NS-Lehrerbund das Objekt für 40 000 Reichsmark, nach heutiger Kaufkraft etwa 170 000 Euro. Die alten Eigentümer flohen kurz darauf in die Schweiz. Nach 1945 wurde das Haus der GEW übertragen, die durch Vermietung jährlich Erlöse von etwa 150 000 Euro erzielte. Der Hamburger GEW-Vorsitzende Klaus Bullan legte in seiner Erklärung zum Verkauf nun nahe, dass es sich 1935 um einen freiwilligen Verkauf gehandelt haben könnte: »Auch wenn eine Reihe von Tatsachen dafür sprechen, dass die früheren Eigentümer den Verkauf im Jahre 1935 nicht in den Kontext nationalsozialistischer Verfolgung eingeordnet haben, können wir natürlich nicht mit Sicherheit sagen, dass es kein Zwangsverkauf war.«

»Aus ihrem moralischen Dilemma kommt die Gewerkschaft mit dieser windelweichen Erklärung nicht heraus«, entgegnet Bernhard Nette. 1999 war der damalige GEW-Kassenwart Nette auf Schriftstücke zum Verkaufsvorgang gestoßen und brachte damit die Diskussion in Gang. Eine 2005 eingerichtete Arbeitsgruppe schlug vor, Ro 19 in ein jüdisches Museum umzuwandeln. Doch bei Abstimmungen in der GEW bekam der Vorschlag wiederholt keine Mehrheit.

Dass die früheren Eigentümer oder ihre Erben niemals einen Restitutionsantrag gestellt hatten, diente als Argument, die Gewerkschaft habe möglicherweise gar nicht von der Arisierungspolitik der Nazis profitiert. Frank Bajohr von der Hamburger Forschungsstelle für Zeitgeschichte formulierte dazu scharf, dass »historische Fakten in einer Weise interpretiert und zurechtgebogen werden können, dass sie den finanziellen Interessen nicht im Wege stehen«.

Hartnäckige Kritik

Statt eines Verkaufs beschloss die Gewerkschaft 2007 zunächst, jährlich 10 000 Euro an antirassistische Initiativen zu spenden. Hartnäckige Kritik ließ Landeschef Bullan aber weiter nach einer »Lösung, die auch wirtschaftlich für die GEW tragbar ist«, suchen. Nun wurde der bereits 2009 von Bistritzky angebotene Kauf realisiert. 2,5 Millionen Euro wurden gezahlt, der Marktwert der Villa wird auf das Doppelte geschätzt; allerdings besteht umfassender Renovierungsbedarf. Eine Erklärung, von der NS-Arisierungspolitik profitiert zu haben, scheut die GEW jedoch.

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