Der Stachel ist gezogen
FC Bayern bestätigt mit Pokalerfolg gegen Dortmund die wiedergewonnene Vormachtstellung
Uli Hoeneß neigt zu Übertreibungen, manchmal bewusst vorgetragen, manchmal aus der Laune heraus. Am Mittwochabend war nicht die Spur von Kalkül dabei, als der Präsident des FC Bayern München nach dem 1:0-Sieg seiner Mannschaft gegen Borussia Dortmund verkündete: »Die deutschen Verhältnisse sind eindeutig geklärt.« Er ließ keinen Zweifel daran, dass es in diesem Pokalviertelfinalspiel vor allem darum gegangen war, den Emporkömmling der vergangenen beiden Jahre in die Schranken zu weisen.
Der Stachel saß tief nach fünf Niederlagen in sechs Pflichtspielen, noch immer. Hoeneß weiß, dass die 17 Punkte Vorsprung in der Meisterschaft nicht mehr so viel wert gewesen wären, hätten die Münchner nicht im direkten Vergleich den Beweis geliefert, derzeit die beste deutsche Mannschaft zu sein. »Es ging schon ein bisschen um die Vormachtstellung«, gab Hoeneß zu. Das eherne Gesetz, an dem, massiv zu rütteln, die Westfalen gewagt hatten, gilt nun wieder: Die Bayern sind national die Nummer eins. Für den Moment jedenfalls, denn Dortmund denkt nicht daran, die Machtverhältnisse so ohne weiteres anzuerkennen, obwohl sie in Meisterschaft und Pokal aus dem Titelrennen sind. An diesem Abend, gestand Trainer Jürgen Klopp ein, sei seine Mannschaft »der verdiente Verlierer« gewesen. »Aber ich habe nicht das Gefühl, dass wir die nächsten zehn Jahre von vornherein die Punkte herschenken sollten.«
Das wäre auch gar nicht im Sinne der Münchner, denn sie wissen, dass sie von den Dortmundern dahin getrieben worden sind, wo sie im Moment stehen. »Für uns war es gut, dass so ein Verein gekommen ist«, sagte Hoeneß. »Wir mussten noch mehr arbeiten, noch mehr investieren.« Davor hatte stets der FC Bayern dem Gegner in der Bundesliga sein Spiel aufgezwängt, nun musste die Mannschaft Mittel und Wege finden, wie sie das durch hohes Tempo und frühes Pressing geprägte hochklassige Spiel des Gegners nicht nur unterbinden kann, sondern selbst noch übertreffen. Am Mittwoch schafften es die Dortmunder zum ersten Mal nicht gegen die Bayern, »unser Spiel aufzuziehen«, sagte Torhüter Roman Weidenfeller. »Die richtige Idee hat uns gefehlt.«
Duelle zweier hochklassiger Mannschaften, weiß Bayern-Trainer Jupp Heynckes, »entscheiden oft Kleinigkeiten, und wir waren heute etwas gieriger und aggressiver.« Exemplarisch standen dafür zum einen Bastian Schweinsteiger, der als glänzender Stratege im Mittelfeld wirkte. Zum anderen Arjen Robben, der als Höhepunkt der besten Münchner Phase am Ende der ersten Halbzeit das Tor des Tages erzielte.
Dortmund ist zum ersten Mal in einer Situation, die die Bayern seit vielen Jahren kennen: Sie müssen versuchen, sich gleichermaßen auf Bundesliga und Champions League zu konzentrieren. In den vergangenen beiden Jahren waren nach dem frühen Ausscheiden in Europa die Vergleiche mit dem Rekordmeister stets die einzige Herausforderung. In dieser Saison setzt Dortmund auch in der Champions League Akzente. Das Pokalspiel gegen die Bayern ist nur einer von mehreren Höhepunkten. Die Münchner hingegen suchten bisher nach einem ebenbürtigen Gegner, sie schienen sich richtig danach zu sehnen. Nun habe man gesehen, so Trainer Heynckes, »dass wir nicht nur attraktiven Fußball spielen, sondern auch fighten können.« Das haben die Bayern vielleicht auch ein bisschen Dortmund zu verdanken.
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