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Deutscher, bewirb dich nicht beim Türken!
Die alltägliche Nichtanerkennung „undeutscher» Autorität«
Die Frage des hessischen Justizministers Jörg-Uwe Hahn bleibt aktuell. Der wollte vor einiger Zeit wissen, „ob unsere Gesellschaft schon so weit“ sei, „einen asiatisch aussehenden Vizekanzler auch noch länger zu akzeptieren“. Ein berechtigter Gedankengang, werden doch schon bei weitaus niedrigeren Rängen und Ämtern Akzeptanzprobleme an den Tag gelegt. So wie durch jene Obermaaten und Oberidioten, die ihren Bootsmann asiatischer Abstammung fesselten und mit der Aufschrift „Mongo“ verzierten.
Es gibt viele Beispiele wie dieses, nicht immer sind sie so krass: Als der damals neue Bayern-Trainer Klinsmann die Kapitänsfrage nicht gleich beantwortete, munkelte man schon, er mache vielleicht einen Ausländer zum Chef. Dem großen Reformer Klinsmann wäre es zuzutrauen, las man im erstaunten Sportfeuilleton. “Da traut sich einer etwas!“, konnte man zwischen den Zeilen lesen. Auch in meinem Leben finden sich Beispiele: Ein Unternehmen, für das ich gelegentlich arbeite, hatte neulich einen Praktikanten an der Hand. Nach nur vier Stunden hing er seinen Job an den Nagel: Er sei weder eine Putzfrau, noch lasse er sich von einem Inder kommandieren, begründete dieser seinen Entschluss.
Ein verkappter Rassist zu sein, wurde dem hessischen Minister unterstellt. Verwegen, sei er außerdem. Ich weiß nicht, ob die Vorwürfe berechtigt waren. Vielleicht hat er jedoch unwissentlich etwas angesprochen, was grundsätzlich richtig ist. Von Integration sprechen wir immer als Einbahnstraße. Aber offensichtlich haben in diesem Land Menschen ein Problem mit nichtdeutscher Autorität. Gibt es denn viele Deutsche, die im türkischen Supermarkt angestellt sind? Warum bedient keine deutsche Studentin abends beim Griechen? Als ich noch Arbeitslosengeld bezog, suchte mir meine Jobvermittlerin ein Stellenangebot heraus. Sie starrte auf ihren Bildschirm, sprach mit sich selbst, wie das überforderte Menschen manchmal tun, und ich ertappte sie, wie sie bei sich flüsterte: „Das hier nicht, das ist ein türkischer Laden.“ Deutscher, bewirb dich nicht beim Türken!
Wann ist Integration gelungen? Wenn hier lebende Menschen aus dem arabischen Raum Ostereier färben? Oder erst wenn türkische Eltern ihren Sohn Gottfried nennen? Eventuell reicht es ja, wenn sie einfach den Fastenmonat ausfallen lassen oder gelegentlich Schweinefleisch konsumieren. Vielleicht beginnt gelungene Integration aber gerade auch damit, dass man seine Aversion bändigt, wenn ein asiatisch aussehender oder türkisch heißender Mensch auf einmal Autoritätsperson ist, die einem „etwas zu sagen hat“.
Mancher wird jetzt sagen: Soll man dem Posten des Vizekanzlers tatsächlich Autorität beimessen? Stimmt auch wieder! Und andere werden einwenden: Bei uns in der Montage hat sich Hüseyin zum Vorarbeiter hochgearbeitet. Doch wie groß bleibt das Genörgel darüber? Ein Banater Schwabe, der in meinem Ausbildungsbetrieb als Polier arbeitete, wurde hinterrücks als „Scheiß-Romanski“ bezeichnet. Der andere Polier, ein grobschlächtiger Bayer, wurde einfach nur als Arsch tituliert. Bei dem einem stellte immer die Herkunft das Fanal der heimlichen Empörung dar. Dem anderen attestierte man lediglich einen schlechten Charakter.
Ja, es wäre spannend zu wissen, ob diese deutsche Gesellschaft einen Vizekanzler mit asiatischem Aussehen länger erträgt - eine Gesellschaft, in der schon Unmut keimt, wenn Hüseyin weisungsberichtigt gegenüber Gerhard oder Rainer ist. Gleichwohl plädiere ich: Keine Experimente! Ich wäre froh, wenn wir von ihm erlöst würden. Egal wie er aussieht. Ich habe mir diesen Ersatzkanzler nämlich nie richtig angesehen, mir hat es schon immer gereicht, ihn zu hören.
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