Zypern muss von der Sonne leben

Die wirtschaftlichen Perspektiven sind nicht gut

  • Heinz Krieger
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Bankenplatz Zypern wird teilweise abgewickelt. Wenn künftig von »Offshore« die Rede ist, geht es nicht mehr um steuersparende Kapitalanlagen, sondern um Gasfelder, die aber erst in Jahren ausgebeutet werden können. Einstweilen gibt es nur Sonne und Strände.

Die Schilder »Cash only« verschwinden derzeit wieder aus den Schaufenstern der Geschäfte, Tankstellen und Supermärkte auf Zypern. Die schlimmste vorstellbare Katastrophe eines ungeordneten Staatsbankrotts mit Verlust des stabilen Euro ist durch das Einknicken von Präsident Nikos Anastasiades vor den harten Forderungen der Troika verhindert worden. Aber das interessiert am Montag in Nikosia nicht mehr. »Rede mit mir, worüber du willst, aber nicht über die Finanzkrise«, wimmelt der 57-jährige Architekt Giorgos Fiali ab. Ihn wie alle Zyprer treibt nur eine Frage um: Wie soll es weiter gehen?

Die Quelle des Wohlstands vergangener Jahre versiegt. Der Bankenplatz mit Milliardentransfers, Minimalsteuern und wohl auch Geldwäsche wird teilweise abgewickelt. Die mit neun Milliarden Euro bei der Europäischen Zen-tralbank in der Kreide stehende Laiki-Bank wird geschlossen, die Bank of Cyprus gerettet und rekapitalisiert. Aber schon in der vergangenen Woche sind von dort hunderte Millionen Euro abgezogen worden. Kapitalverkehrskontrollen hatte das Parlament erst am Freitag beschlossen.

Langfristig setzt Zypern auf andere wirtschaftliche Perspektiven. Es will Energieexporteur im großen Stil werden. Denn im Block 12 des Gasfeldes »Aphrodite« vor der Südküste der Insel lagern Milliarden Tonnen Erdgas unter dem Meeresboden. Es liegt nur gut 30 Kilometer vom noch größeren israelischen Gasfeld »Leviathan« entfernt. Die jüngste Wiederannäherung zwischen Israel und der Türkei könnte Zypern allerdings ins Abseits stellen. So könnte der alte Plan der Medstream-Pipeline wiederbelebt werden, die Öl, Gas und Wasser zwischen der Türkei und Israel transportieren soll.

Zypern ist deshalb mehr daran interessiert, bis 2019 in Vassilikos eine Anlage zur Verflüssigung von Erdgas (LNG) zu errichten, die den Transport zu Abnehmern in aller Welt ermöglichen würde. Vorbild ist dabei das Scheichtum Katar. Ein Anschluss von »Aphrodite« an die israelische Leviathan-Pipeline oder gar an eine türkisch-israelische brächte Abhängigkeiten, die man in Nikosia vermeiden will. Eine Pipeline in die Türkei wäre dagegen kurz und nicht so teuer. »Aber es geht um ein Projekt für 25 Jahre«, sagte ein Insider der Zeitung »Cyprus Mail«. »Kann man darauf vertrauen, dass die Türkei in dieser langen Zeit Zyperns bester Freund sein wird?« Mit einer LNG-Anlage könnte man sich dagegen die Kunden aussuchen.

Kurzfristig bleibt Zypern nur der Tourismus als Einnahmequelle, der in den Hochjahren als Steueroase gut zehn Prozent der Wirtschaftsleistung ausmachte. Zypern hat alles, was man für Massentourismus braucht: Sonne, Strände und Zeugnisse der Geschichte. 2,17 Millionen Touristen kamen im vergangenen Jahr - sie brachten knapp 1,8 Milliarden Euro ins Land. Beachtlich bei einer Bevölkerung von knapp 900 000 im zur EU gehörenden Teil der Insel, aber zu wenig, um allein damit den gewohnten Lebensstandard der Inselgriechen zu erhalten. Die Hälfte der Urlauber kommt aus Großbritannien, knapp sieben Prozent aus Russland, sechs Prozent aus Deutschland. Eine Delegation des Tourismusamtes ist derzeit in Moskau, um gutes Wetter zu machen, die Krise herunterzuspielen und Stornierungen abzuwenden.

Floriert der Tourismus, dann erlebt auch die Baubranche gute Zeiten. Aber auch dort lauern Gefahren, wie die Immobilienblase nicht nur in Spanien gezeigt hat.

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