Schummeln bei Verbrauchsangaben
Autobauer tricksen für gute CO2-Werte / EU-Kommission unterlässt Sanktionen
Es ist eine direkte Folge der Gesetze für den Klimaschutz: Seitdem die EU sich darauf geeinigt hat, den CO2-Ausstoß von Pkw zu senken, schummeln Hersteller immer stärker bei der Berechnung der Angaben, wie viel Liter Benzin oder Diesel ein Fahrzeug verbraucht. Bei den Testzyklen werden Reifen benutzt, die im Straßenverkehr verboten sind, werden Unebenheiten am Fahrzeug mit abgeklebt, um den Luftwiderstand zu verringern, wird die Lage des Fahrzeugs zur Straße so optimiert, wie es für den Kunden nicht möglich ist. Denn je weniger Kraftstoff ein Auto verbraucht, desto niedriger ist in der Regel auch der CO2-Verbrauch.
Erste Anzeichen für den Schwindel fielen der EU-Kommission 2010 auf. Sie ließ daraufhin vom niederländischen Forschungsinstitut für Verkehr TNO eine erste Studie erstellen, zwei Jahre später eine weitere. Der Verdacht bestätigte sich beide Male. Zwischen neun und zehn Prozent der CO2-Reduzierungen, die die Autohersteller zwischen 2002 und 2010 erreicht hatten, seien nicht auf technische Neuerungen zurückzuführen. TNO schlussfolgerte, dass »Flexibilität« dafür der Grund sei.
Einige dieser »Flexibilitäten« sind legal und bilden eine Art Grauzone, in denen sich die Hersteller aufgrund ungenauer Formulierungen in dem seit 1996 gültigen »Neuen Europäischen Fahrzyklus« bewegen dürfen. Dazu gehört etwa eine Gewichtsreduzierung um 110 Kilogramm, die 2,5 Prozent weniger CO2 ausmacht. Andere Tricks sind nicht legal und machen gut die Hälfte der nicht technisch begründeten CO2-Senkungen aus. Wie stark sie zunehmen, konnte die Studie nicht herausfinden.
Dass mit neueren Autos auch die Tendenz zum Schummeln steigt, zeigt eine weitere Studie, die der europäische Umweltverband Transport & Environment (T&E) bei TNO in Auftrag gegeben hatte. Dafür testete TNO das gleiche Automodell, aber in unterschiedlichen Generationen. Bei einer Testgeschwindigkeit von 20 Kilometer pro Stunde wiesen ältere Fahrzeuge rund 30 Prozent höhere Verbrauchswerte auf als die Hersteller angeben. Bei neuen Pkw waren es sogar zwischen 30 und 110 Prozent. »Die Hersteller betrügen damit nicht nur die Verbraucher, sondern auch den Gesetzgeber, weil die EU-Vorgaben zur Senkung der CO2-Werte nur unter Laborbedingungen erreicht werden«, sagt Greg Archer von T&E dazu.
Sara Tironi, Sprecherin von EU-Industriekommissar Antonio Tajani, ist dagegen ruhiger. Die Studien hätten auch gezeigt, dass die größten Fortschritte bei der Senkung von CO2 auf technische Verbesserungen zurückzuführen seien. Die praktizierten »Flexibilitäten« stünden auf dem Prüfstand. Außerdem hätten die Automobilhersteller die Möglichkeit gehabt, zu den Vorwürfen aus den Studien Stellung zu beziehen.
Beim deutschen Dachverband der Autobauer, dem Verband der Automobilindustrie (VDA), weicht Sprecherin Sandra Courant klaren Antworten zum Vorwurf des Schummelns aus. »Die Angaben zum Kraftstoffverbrauch eines Fahrzeugs werden in speziellen Prüflaboren nach gesetzlichen Vorgaben offiziell ermittelt«, sagt sie auf Anfrage. Die Bedingungen für den Messzyklus seien so vorgegeben, dass es kaum Spielräume bei der Durchführung gebe.
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