Rummel um den »Rat der Weisen«

63 Persönlichkeiten sollen Türkeipremier Erdogan in der Kurdenfrage beraten

  • Jan Keetman, Istanbul
  • Lesedauer: 3 Min.
Um eine Lösung der Kurdenfrage vorzuschlagen, hat der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan ein Komitee von 63 Persönlichkeiten zusammengerufen, die Vorschläge erarbeiten sollen.

Der Ministerpräsident empfing die von ihm für den »Rat der Weisen« Ausgewählten, deren Namen vorher nicht bekannt waren, zu einem Arbeitsessen im Istanbuler Dolmabahce-Palast. Die Gruppe ist bunt gemischt, am stärksten vertreten sind jedoch Redakteure und Kolumnisten regierungstreuer Zeitungen. Die zweitgrößte Gruppe stellen Schauspieler und Schauspielerinnen. Nicht in das Gremium berufen wurde der erste türkische Nobelpreisträger für Literatur, Orhan Pamuk, der von kurdischen Politikern vorgeschlagen worden war.

Erdogan verbat sich gleich zu Beginn jede Kritik an der Zusammensetzung der Gruppe. In den Ohren mancher Kolumnisten mag das wie eine Drohung geklungen haben. In jüngster Zeit wurden mehrere Journalisten entlassen, nachdem sie den Zorn des Ministerpräsidenten auf sich gezogen hatten. Die Eigentümer der größeren Medien haben mit ökonomischen Schwierigkeiten zu rechnen, wenn sie sich die Missgunst des Regierungschefs zuziehen.

Nach der Versammlung war kaum klar, wohin die Reise gehen wird. Die wenigen Stellungnahmen aus dem Kreis der Berufenen waren überwiegend nichtssagend. Der linke Professor Baskin Oran witzelte über die von Erdogan als Geschenk überreichte Krawatte, obwohl er nie eine Krawatte trage. Die Schauspielerin Hülya Kocyigit betonte, dass sie als Mutter besonders dazu geeignet sei, eine Lösung zu finden. Bereits früher hatte sich der Musiker Orhan Gencebay von der Versammlung verabschiedet. Der Meister der Arabeske musste noch im Fernsehen an der Sitzung einer Jury teilnehmen, die den türkischen Popstar 2013 auswählen soll. In der gleißenden Fernsehshow sagte er dann, dass auf der Sitzung im Dolmabahce-Palast, die er eben verlassen habe, noch immer über sehr wichtige Dinge gesprochen werde.

Der »Rat der Weisen« wird nach Regionen in sieben Kommissionen aufgeteilt, die Lösungsvorschläge erarbeiten sollen. Diese sollen in einem gemeinsamen Bericht an den Ministerpräsidenten zusammengefasst werden. Als Zeitrahmen hat man sich auf zwei Monate verständigt.

Außerdem war zum Teil noch von einem Vorbericht nach 15 Tagen die Rede. Ein ehrgeiziger Zeitplan, wenn man bedenkt, dass die Teilnehmer nie zuvor zusammengearbeitet haben.

Die Einberufung des Komitees weckt eine ungute Erinnerung. Im Jahr 2009 wurden schon einmal Vertreter der Zivilgesellschaft, Journalisten, Menschenrechtler, Frauenverbände und andere Gruppen der Reihe nach zu ihren Lösungsideen befragt. Danach landeten die Vorschläge sämtlich im Papierkorb. Es fällt auf, dass nur wenige der damals Befragten, wie etwa Prof. Baskin Oran, heute wieder zu der Gruppe gehören, die das Gleiche tun soll. Wie auch immer, jedenfalls gibt die Einberufung des Rates Erdogan eine Verschnaufpause. Er muss nun nicht gleich sagen, wie er sich eigentlich die Zukunft der Türkei vorstellt. Stattdessen wird es völlig unverbindliche Empfehlungen von Nichtpolitikern geben.

Nach dem Beginn der Gespräche mit dem inhaftierten PKK-Führer Abdullah Öcalan, der bisher meist nur als »Baby-Mörder« tituliert wurde, befindet sich die Türkei in einer aufgewühlten Situation. Da ist etwas Ruhe zum Nachdenken sicher nicht unangebracht. Andererseits konnte man sich bei den Bildern aus dem Istanbuler Dolmabahce-Palast schon fragen, wie ernst es der Ministerpräsident diesmal mit der Kurdenfrage meint.

Man sollte nicht vergessen, dass Erdogan zwei Ziele verfolgt. Die Errichtung eines Präsidialsystems mit ihm als Präsident ist ihm sicher nicht weniger wichtig als das Kurdenproblem. Ohne die Hilfe der Kurden im Parlament fehlt ihm dazu aber die Mehrheit.

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