Katars Scheckbuchdiplomatie
Das arabische Emirat lässt sich den Krieg in Syrien etwas kosten
Das Emirat Katar ist einer der wichtigsten Drahtzieher beim Krieg in Syrien. Die militärische Eskalation und der politische Stillstand sind nicht zuletzt dem großen Einfluss geschuldet, den Katar auf die syrische Opposition hat. Bei der Bildung einer Interimsregierung setzte sich Katar nicht nur gegen eine interne Absprache in der Nationalen Koalition, sondern auch gegen Saudi-Arabien durch. Der Präsident der Koalition, Ahmed Mouaz al-Khatib, trat zurück, nachdem er wiederholt von einer Regierung abgeraten hatte, die zu einer Spaltung Syriens führen könnte. Khatib hatte auf eine Verhandlungslösung gemäß der Genfer Vereinbarung gesetzt und war von Russland und den USA unterstützt worden.
Mit der Übergabe des syrischen Sitzes in der Arabischen Liga an die Nationale Koalition durch Scheich Hamad bin Khalife al-Thani, den Emir von Katar, beim Gipfeltreffen der Liga in Doha (Katar) dürften ein Waffenstillstand und eine Verhandlungslösung nach dem Genfer Abkommen in weite Ferne gerückt sein.
Jahrelang hatte sich der Emir mit Friedensinitiativen in der arabischen Welt einen Namen gemacht. Ob Sudan, Jemen, Libanon oder innerpalästinensische Versöhnung - der Emir von Katar fand immer eine Lösung. Er reiste zu Gesprächen nach Teheran und traf sich mit Präsident Mahmud Ahmadinedschad, um die nachbarschaftliche Freundschaft beider Staaten zu bekräftigen. Seit Beginn des »Arabischen Frühlings« jedoch hat sich der Emir zum Kriegsherrn gewandelt. Mit vollen Händen scheint er die Reichtümer zu verteilen, die Katar aus seinen Gas- und Ölvorkommen zufließen. Ob Waffen für die Aufständischen in Syrien, Löhne für die Kämpfer, Hilfe für Flüchtlinge oder Gehälter für Oppositionspolitiker - Katar lässt sich den Krieg in Syrien etwas kosten.
Beim militärische Eingreifen in Libyen war die katarische Politik deutlich von persönlichen Ressentiments gegen Muammar al-Ghaddafi geprägt, der mehr als einmal über Katar hergezogen war. Katar schickte Waffen, Geld und Kampfjets an der Seite der NATO in den Krieg.
In Ägypten und Tunesien bekam das Engagement Katars eine strategische Note: Dort finanziert Katar die Parteien der Muslimbruderschaft und sichert sich regionalen Einfluss. Dem gerade wiedergewählten Vorsitzenden der Hamas, Khalid Maschal, bot Katar neues Exil in Doha, nachdem sich die Hamas - auch Mitglied der Muslimbruderschaft - über die Ereignisse in Syrien zerstritt und das langjährige Exil in Damaskus verließ. Mit großartigen Gastgeschenken besuchte der Emir Ende 2012 den Gaza-Streifen, nur wenige Tage bevor Israel erneut begann, den Küstenstreifen zu bombardieren.
Katar betreibe Scheckbuch-Diplomatie, war kürzlich in der ägyptischen Wochenzeitung »Al Ahram« zu lesen. Das Emirat wolle sich mit der Muslimbruderschaft eine »regionale Basis mit wirtschaftlichem und politischem Einfluss im Mittleren Osten und darüber hinaus schaffen«. Das zweite Standbein neben dem Geld, sei der Nachrichtensender Al Dschasira, meint Paul Salem vom Carnegie-Zentrum für Studien des Mittleren Ostens. Der Sender habe eine zentrale Rolle bei den Aufständen in Ägypten und Libyen gespielt.
Katar kauft Agrarland und Schlüsselindustrien in Afrika, in der Ukraine, in Pakistan und Thailand. In Deutschland hält Katar 17 Prozent an Volkswagen, zehn Prozent an Porsche und neun Prozent am Bauunternehmen Hochtief. Nicht zuletzt der Eurokrise ist es zuzuschreiben, dass der finanzstarke Däumling vom Golf sich in Europa auf Einkaufstour machte. Milliarden US-Dollar investiert Katar in Banken- und Finanzplätze, Tourismus, Immobilien, Hotelanlagen, in Sport, Auto- und Mediensektor. Vor wenigen Tagen erst kaufte Katar für 301,5 Millionen Britische Pfund (355 Millionen Euro) das London Park Lane Hotel, das zur Intercontinental-Gruppe gehört. Als nächstes steht die Kaufhauskette Marks & Spencers auf dem Plan. Das traditionsreiche Londoner Kaufhaus Harrods war schon 2010 in katarischen Besitz übergegangen.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.