»Besteuert doch die Reichen!«
Irisch-republikanische Linkspartei Sinn Féin will eine »neue Republik«
Er wird angekündigt wie ein Popstar. Gestandene Männer mit Unterarmtattoos geraten außer sich wie bei einem Heimspielsieg ihres Fußballteams. Gerry Adams, seit 1983 Vorsitzender von Sinn Féin, betritt am Sonnabend die Bühne im Castlebar Royal Theatre. Seine Rede dauert nur 30 Minuten und reißt dennoch alle im Saal mit. Adams zeigt sich an diesem Abend in Anzug und Krawatte, tags zuvor war er noch als einer von 2000 Delegierten in Jeans und mit offenem Hemdkragen erschienen.
Die Kärrnerarbeit überlässt der Parteichef aber seinem alten Kampfgefährten Martin McGuinness. Der stellvertretende Erste Minister Nordirlands schafft es, die Delegierten zwei Tage lang zu motivieren und die Kernaussagen der irisch-republikanischen Linkspartei zu formulieren. »Vor 15 Jahren schaute die Welt auf Nordirland, verbunden mit Hoffnungen, Erwartungen und auch Misstrauen. Nun haben wir eine Regionalregierung, in der Republikaner und Unionisten Minister stellen. Wir als Republikaner tun dies, weil wir es wollen und an den Friedensprozess glauben. Die Unionisten tun es, weil sie es müssen. Das ist zu wenig! Auch sie müssen es wollen«, fordert McGuinness. Er spielt damit auf das Schweigen seiner probritischen unionistischen Kollegen während des sogenannten Flaggenstreits in Nordirland an.
Der Belfaster Stadtrat hatte Anfang Dezember 2012 beschlossen, die britische Flagge nur noch an 17 besonderen Tagen auf dem Rathaus zu hissen. Die Folge waren nächtelange Straßenschlachten. Obwohl die Entscheidung von Politikern aller Seiten begrüßt worden war, schwiegen unionistische Parteivertreter während der Gewaltausbrüche auffallend lange. Der Gewalt, egal ob von republikanischer oder unionistischer Seite, erteilte McGuinness eine deutliche Absage: »Sie werden uns nicht in die Vergangenheit stoßen.«
Die Lage auf der Insel ist ohnehin angespannt. Neben der von Sinn Féin kritisierten Spaltung des Landes in Nord und Süd drücken vor allem die Schulden und die Wirtschafts- und Finanzkrise auf die Republik Irland. 600 ausgebildete Jugendliche verlassen jeden Monat das Land auf der Suche nach bezahlter Arbeit – für einen kleinen Staat kaum zu verkraften. Die sozialen Sicherungssysteme wurden wie in allen EU-Staaten unter »Troika-Aufsicht« beschnitten, Steuern wurden erhöht. Eine weitere Steuer erregt die Gemüter besonders, die »property tax«. Hauseigentümer sollen, wenn es nach dem Willen der Regierung von Konservativen und Labourpartei geht, für ihren Grund und Boden nicht gerade geringe Abgaben leisten. »Das trifft vor allem die kleinen Hauseigentümer«, sagt Martin McGuinness und fordert: »Nehmt es nicht bei den Armen und Kleinen, besteuert doch endlich die Reichen!«
Mit »Poblacht Nua« – »Eine neue Republik« – ist der Parteitag überschrieben. Gerry Adams erklärt: »Republikanismus bedeutet für uns ein Recht auf eine Wohnung, auf Arbeit, auf ein funktionierendes Gesundheits- und Sozialsystem, Gerechtigkeit und Gleichheit. Deshalb wird Sinn Féin Allianzen schließen mit den Arbeitern, ganz gleich ob sie Unionisten, Loyalisten oder Republikaner sind. Es ist Zeit für eine wirkliche Arbeiterpartei.« Unter dem Jubel seiner Anhänger, forderte er schließlich die Labourpartei auf, die Regierungskoalition im Süden zu verlassen. »Eine wirkliche Arbeiterpartei ist in keiner Koalition mit (der konservativen) Fine Gael«, bemerkt Adams. Er war und ist das Gesicht von Sinn Féin, an ihm reiben sich die britische und die irische Politik. Er ist es aber auch ein Garant für die Einhaltung des Karfreitagsabkommens. Das weiß Adams und fordert deshalb die vollständige Umsetzung des Vertrages. Bis heute hat in Nordirland keine Volksabstimmung über den Verbleib in Großbritannien oder die Vereinigung mit der Republik Irland stattgefunden.
Sinn Féin macht sich keine Illusionen und bereitet sich auf lange Auseinandersetzungen vor. Doch die Mitglieder spüren, dass ihre Verankerung in der Gesellschaft wächst. Im Norden mit 24 Prozent zweitstärkste Kraft, legte die Partei in der Republik Irland zuletzt auf 18 Prozent in den Umfragen zu und band viele neue Mitglieder an sich.
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