Gestörte Jubelfeier bei Bayer
Konzernkritiker wollen dem Chemieriesen den 150. Geburtstag vermiesen
150 Jahre Firmengeschichte sind 150 Jahre »permanenter Veränderung und Erneuerung«, heißt es in der offiziellen Bayer-Geschichtsschreibung. Mit den hauseigenen Erfindungen trage »das Unternehmen erheblich dazu bei, das Leben der Menschen und Tiere zu verbessern«. So ist es auf der Webseite des Konzerns nachzulesen, über der ein virtueller Zeppelin schwebt.
»Ein Weltstar wird 150« - unter diesem Motto feiert sich der Bayer-Konzern selbst das ganze Jahr 2013 hindurch. Und insbesondere auf der heutigen Jahreshauptversammlung des wirtschaftlich eher stagnierenden Chemie- und Pharmariesen aus Leverkusen: Im ersten Quartal 2013 stiegen die Umsätze um zwei Prozent auf 10,3 Milliarden Euro, teilte das Unternehmen am Donnerstag mit. Unter dem Strich stand ein Nettoergebnis von fast 1,2 Milliarden Euro - 11,5 Prozent mehr als im Vorjahr. Einen massiven Ergebniseinbruch gab es jedoch in der Sparte für hochwertige Kunststoffe, bedingt durch deutlich gestiegene Rohstoffpreise und gesunkene Absatzmengen. Bayer beschäftigte Ende März weltweit 111 600 Menschen.
Die Präsentation der Firmenhistorie ärgert Philipp Mimkes: »Bei Bayer haben sie sich die Rosinen herausgepickt und verschweigen die Verbrechen«, meint der Vorstand der Coordination gegen Bayer Gefahren, die seit über 30 Jahren den Konzern für dessen weltweite soziale und ökologische Verfehlungen kritisiert. Bayer habe Heroin als Hausmittel für Kinder auf den Markt gebracht. Der langjährige Generaldirektor Carl Duisberg, noch heute offiziell als erfolgreicher, innovativer und sozialer Konzernlenker hoch verehrt, habe im Ersten Weltkrieg den Einsatz hauseigener Giftgase durchgesetzt, so Mimkes Vorwurf. »Bayer lieferte als Teil der IG Farben Zyklon B für die Gaskammern, beteiligte sich an grausamen Menschenversuchen und ließ sich in Auschwitz eine riesige Fabrik von Sklavenarbeitern bauen. Im konzerneigenen Konzentrationslager Auschwitz-Monowitz kamen Zehntausende ums Leben.«
Der Konzern habe seine Geschichte nie kritisch aufgearbeitet - und versuche nun, sie zum Jubiläum weiß zu waschen, meinen die Kritiker. Sie wollen mit einem Gegenantrag auf der Jahreshauptversammlung dieser »Lobhudelei« entgegentreten. Darin fordern sie, dass der Vorstand alleine schon wegen »verfälschender Darstellung der Firmengeschichte« nicht von den Aktionären entlastet wird.
In der offiziellen Firmenhistorie firmiert Bayer hingegen eher als Opfer der Nazis. Seit 15 Jahren wird ein mit 75 000 Euro dotierter Bayer-Wissenschaftspreis nach Kurt Hansen benannt. Dessen Vita: 1931 Eintritt in die NSDAP, 1945 wegen Beteiligung an Kriegsverbrechen kurzzeitig interniert, seit 1961 Vorstandsvorsitzender des Bayer-Konzerns, 1970 bekam er den Ehrenring der Stadt Leverkusen. Heute lobt die Bayer-Webseite Hansens »unermüdliches Engagement«. Der Manager habe »die Grundlagen für den nachhaltigen, weltweiten Erfolg von Bayer« gelegt.
Den »Erfolg« sehen Mimkes und seine Mitstreiter, die zusammen mit dem Dachverband der Kritischen Aktionäre und der Anti-Korruptionsinitiative Transparency International agieren, eher kritisch: Thematisieren werden sie heute unter anderem die Gefahren der Anti-Baby-Pille Yasmin, für die Bayer in den USA milliardenschwer haftet, während sie in Europa nicht zahlen will, ferner Gentech-Reis aus dem Hause Bayer und der hohe Kohlendioxid-Ausstoß des Konzerns durch intensive Kohlestromnutzung.
Der Bayer-Vorstand um seinen Vorsitzenden Marijn Dekkers wird sich, ob er will oder nicht, diese und weitere Vorwürfe anhören müssen. Schließlich besitzen die Kritiker Aktien des Konzerns - und haben somit Rederecht auf der Jahreshauptversammlung, das sie seit vielen Jahren nutzen. »Wir planen zudem eine größere, spektakuläre Aktion«, kündet Mimkes an.
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