Prozess gegen Ríos Montt in entscheidender Phase
Guatemalas 86-jähriger Exdiktator erklärt sich für unschuldig
Der Strafprozess gegen den ehemaligen Chef der guatemaltekischen Militärjunta Efraín Ríos Montt und seinen Geheimdienstchef José Mauricio Rodríguez Sánchez steht möglicherweise kurz vor dem Abschluss. Nachdem die Verteidigung verschiedenste Rechtsmittel und Verfahrenstricks bemüht hatte, um den als historisch eingeschätzten Prozess zu torpedieren, hat die Staatsanwaltschaft im Abschlussplädoyer für beide Angeklagte jeweils 75 Jahre Haft wegen Völkermordes und Verbrechen gegen die Menschlichkeit gefordert.
Seit Beginn der öffentlichen Anhörungen am 19. März hatte die Verteidigung Dutzende Rechtsmittel eingelegt. Höhepunkt dieser Strategie war die Entscheidung von Richterin Carol Flores am 18. April, den gesamten Prozess auf den Ermittlungs- und Verhandlungsstand von Ende 2011 zurückzusetzen. Diese Entscheidung war in der Folge vom Verfassungsgerichtshof wieder kassiert worden. Jedoch steht eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes noch aus, die den gesamten Strafprozess unterbrechen, aussetzen oder gar annullieren könnte.
Nach der Staatsanwaltschaft haben nun die Nebenkläger das Wort, die durch das Menschenrechtszentrum CALDH vertreten werden. Sowohl der Staatsanwaltschaft als auch den Nebenklägern und der Verteidigung der Generäle a. D. räumte das Gericht jeweils zwei Stunden für ihre Plädoyers ein.
Helen Mack von der Stiftung Myrna Mack bezeichnete die Strategie der Verteidigung, den Prozess zu torpedieren, ohne Argumente vorzulegen, die die Angeklagten entlasten könnten, als arrogant. Auch Carmen Aída Ibarra, vom Movimiento Pro Justicia (Bewegung Pro Gerechtigkeit) sah ihren Eindruck bestätigt, dass die Anwälte Ríos Montts und Rodríguez Sánchez' zu keinem Zeitpunkt eine Verteidigungsstrategie verfolgt hätten, sondern nur auf eine Annullierung oder zumindest Verzögerung des Prozesses aus gewesen seien.
Kurz vor Beginn der Urteilsfindung entschied sich Ríos Montt am Donnerstag aber doch noch, zur Sache auszusagen, und erklärte sich für unschuldig: »Niemals habe ich autorisiert, vorgeschlagen oder angeordnet, dass Attentate gegen ein Volk, eine Ethnie oder eine Religion begangen werden. Und nach allem, was gesagt worden ist, gibt es keinen Beweis, der meine Beteiligung belegen würde.« Richterin Jazmín Barrios hatte zugestimmt, die Erklärung des 86-Jährigen zu hören, obwohl die guatemaltekische Prozessordnung eine Erklärung in diesem Stadium nicht vorsieht und der Angeklagte zuvor eine Aussage verweigert hatte.
Die Staatsanwaltschaft wirft Ríos Montt und Rodríguez Sánchez vor, Urheber von 16 Massakern zu sein, die die guatemaltekische Armee zwischen März 1992 und August 1983 in Dörfern der Ixil-Indígenas begangen hat und die insgesamt 1771 Opfern forderten.
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