Unfähige Studenten bremsen Unis aus
Schweden: Streit um Studierfähigkeit der Abiturienten
Schwedens Gymnasien und Hochschulen sind oft deutlich weniger anspruchsvoll als die im deutschsprachigen Raum, stellen Neuankömmlinge immer wieder fest, zwar völlig subjektiv aber doch stets überraschend einstimmig. »An der Universität hier herrscht bei Studenten, aber teilweise auch bei Lehrern, nicht so ein intellektuelles Klima wie in Deutschland. Alles geht handwerklicher und engstirniger, vielleicht auch dümmlicher zu«, gestand einmal gar ein deutscher Professor mit Lehrstuhl an einer renommierten schwedischen Hochschule.
Nun ist unter Schwedens Hochschullehrern selbst eine Debatte über die scheinbar rapide angestiegene Unfähigkeit ihrer Studenten ausgebrochen. Historikerin Hanna Enefalk und zahlreicher ihrer Kollegen von der altehrwürdigen Universität Uppsala brachen die Diskussion vom Zaun, in dem sie im Januar in der Regionalzeitung »Uppsala Nya Tidning« davor warnten, dass Schweden mit Hochschulreife nicht einmal ihre Muttersprache beherrschten. Dabei gehe es nicht mal um die Rechtschreibung, so Enefalk. Die sei insgesamt »elendig«, aber weil es an den meisten Arbeitsplätzen ja Computer mit Korrekturprogrammen gebe, habe man das schon längst abgehakt. Es gehe um mehr: »Studenten missverstehen mündliche und schriftliche Informationen. Sie haben oft nicht mehr die Fähigkeit, die Kursliteratur zu lesen und sie verstehen Fragen in schriftlichen Prüfungen nicht. Aber am schlimmsten wird es, wenn sich die Studenten selber schriftlich ausdrücken müssen«, heißt es in dem »Hilferuf an die Bildungspolitiker« von Enefalk und ihren Kollegen.
Es sei »beklemmend«, dass selbst humanistisch ausgerichtete Studenten »einen unerhört begrenzten Wortschatz« hätten. Wirklich »alarmierend« sei, dass sie simple Begriffe, selbst alltäglicher Art, oft falsch oder gar nicht verstünden oder ihnen falsche Bedeutungen zumessen würden.
»Das grammatische Vermögen ist so begrenzt, dass die schriftlichen Aussagen der Studenten teilweise unbegreiflich werden«, heißt es weiter. Ein wachsender Trend sei auch, dass die Studenten Vorlesungen mit ihren Handys aufnehmen, weil sie nicht mehr mitschreiben können. Auch die Allgemeinbildung lasse zu wünschen übrig, meldeten sich daraufhin andere schwedische Hochschullehrer zu Wort. Viele schwedische Studenten wüssten nicht mal, wer Vincent van Gogh war.
Gleichzeitig fordern die schwedischen Studenten ständig Lob und gute Noten, selbst für mangelhafte Arbeiten. Lehrer, die »keinen bloßen Unterhaltungsunterricht« veranstalteten, würden gemobbt. Etwa durch Beschwerden an den Institutsleiter, in Umfragebögen zur Unterrichtsqualität und durch anmaßende Kommentare im Unterricht selbst. Wer schlechte Noten bekomme, fühle sich gekränkt. »Studenten sehen sich heute mehr als Kunden, die erwarten, dass die Schule liefert«, sagen etwa die Hochschullehrer aus Uppsala.
Die Hochschulen richten ihre Kritik auch an die Schulpolitiker. Die ließen den Verfall der Schulen zu. So ziehe ausgerechnet der Schullehrerberuf eher schwache Studenten an. Die produzierten wiederum schwache Schüler, warnte Verwaltungswissenschaftler Gissur Erlingsson. Schulen, an denen über das landesweite Gesamtschulsystem rund 95 Prozent aller Schüler Abitur machen, müssten verbessert werden, so die Hochschullehrer.
Historikerin Enefalk, die die Debatte ins Rollen gebracht hat, ist verwundert, dass sie bislang nicht für ihre vermeintliche Schwarzmalerei kritisiert wurde. Die Frage ob sich nicht zumindest ihre Studenten kritisch geäußert hätten, beantwortet sie mit düsteren Worten: »Die Studenten, die das hier betrifft, schaffen es nicht, sich durch einen solchen Zeitungstext zu hangeln. Sie verstehen einfach nicht, was da drin steht«.
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