Vorsicht Kinder!
Wie Kinder leben und was sie sich wünschen
Im Kreuzfeuer
Kinder in Syrien
»In Kriegszeiten ist eine künstlich strukturierte Familie meistens nachhaltiger als die biologische.« Es klingt im ersten Moment fast gefühlslos, was im Pressegespräch über syrische SOS-Kinderdörfer zur Sprache kommt. Aber es ist dieses traurige Motto, unter dem die Mitarbeiter der Kinderschutzorganisation in dem Dorf in Damaskus 117 Kinder betreuen.
Da die Einrichtung im Kreuzfeuer der Schlacht zwischen Regierungstruppen und Regierungsgegnern liegt, weshalb allen Bewohnern Lebensgefahr droht, ist die wichtigste Herausforderung, die körperliche und psychische Unversehrtheit der Kinder zu sichern. Damit sie die Gräuel des Krieges überstehen, müssen die Schützlinge abgelenkt werden - und zwar durch Aktivitäten, die früher zu ihrem Alltag gehörten.
Wohl kaum ein Kind, das Not und Krieg nicht kennt, würde begreifen, was in den SOS-Kinderdörfern als wirksamstes Rezept gilt: Neben kreativen Tätigkeiten und psychologischer Hilfe zählt der regelmäßige Schulbesuch als das beste Mittel, seelische Verletzungen zu verhindern der zu lindern. Die in wenigen Wochen beginnenden Schulferien werden daher nirgends so gefürchtet wie in dem einzigen derzeit bewohnten syrischen SOS-Kinderdorf an der Schnellstraße Beirut - Damaskus.
Seit Ausbruch des Bürgerkrieges sind ungefähr eine Million Menschen aus Syrien nach Libanon geflüchtet. Zahllose verlassene Kinder zwischen zehn und siebzehn Jahren irren auf den Straßen umher. Sie sind den Gräueln des Krieges besonders ausgeliefert: Viele sind krank, die meisten geschwächt und vereinsamt. Da sie am meisten gefährdet sind, Opfer von Missbrauch und Menschenhandel zu werden, gilt ihnen die Aufmerksamkeit der SOS-Mitarbeiter. Unentwegt stellen sie sich die Frage, wie die Mädchen und Jungen zugleich beschützt und ausgebildet werden können.
Längerfristige Herausforderungen stehen noch bevor: Längst ist es noch nicht so weit, dass man entscheiden könnte, ob und wann die syrischen Familien wieder in ihre Heimat zurückkehren. Und wer wüsste heute schon u sagen, wie man der im Krieg aufgewachsenen Generation die verlorene Kindheit zurückgeben kann, sodass sie mit dem späteren Leben zurechtkommt. Lösungen für diese Probleme haben noch etwas Zeit. Denn im Augenblick steht an erster Stelle die Sicherheit.
Kämpferisch in Schule und Freizeit
Kinder in Dänemark
Dänemark gilt als Land der Glücklichen, aber Politiker und Eltern machen sich zunehmend Sorgen um die Zukunft der Kinder. Das Ausbildungssystem ist in die Kritik geraten, es bereite die Jugend nur ungenügend auf die Herausforderungen der Globalisierung vor. Geschätzte zehn Prozent der Abgänger verlassen die Schule als funktionelle Analphabeten. Deren geografische und soziale Verteilung spricht eine deutliche Sprache: Es sind Einwandererkinder und Kinder aus finanziell schwachen Familien, die weder die Schule noch später eine Ausbildung schaffen.
Kindern dagegen, die aus Familien in stabilen wirtschaftlichen Verhältnissen stammen und über ein großes Netz an sozialen Bindungen verfügen, steht die Zukunft offen. Ohne einen Augenblick zu zögern, kommt ein sehr bestimmtes »Ja« von der 14-jährigen Alberte auf die Frage, ob sie glücklich sei. »Mir geht es gut. Ich gehe gern in die Schule, ich habe eine Menge Freundinnen und der Sport macht mir Spaß.«
Das will man gern glauben, wenn die Note drei das Schlechteste ist, was man ausnahmsweise mit nach Hause bringt. Über die wöchentlich 30 Unterrichtsstunden hinaus geht Alberte sechs Mal zum Training im Taekwondo-Klub. Das sieht man dem zarten Mädchen nicht an, aber ausgezahlt hat es sich schon. Sie ist mehrfache dänische Meisterin in der Fliegengewichtsklasse und hat sogar eine Reihe europäischer Turniere gewonnen. Ihre Hoffnungen richten sich auf die Qualifikation für die Europameisterschaft im Herbst.
Und wie bleibt da Zeit für die Freundinnen? »Man muss sein Training und die Hausaufgaben ordentlich planen. Ich kann mir kein Leben vorstellen ohne meine Freundinnen und ohne unsere Feste«, sagt Alberte. Auch davon, wie ihr Leben nach der obligatorischen 9. Klasse weitergehen soll, hat sie bereits eine feste Vorstellung: »Ich will an ein Gymnasium, das als eines der Wahlfächer Sport oder Kampfsport anbietet. Ich hoffe, bis dahin Nationalmannschaftskader zu sein. Dann bekomme ich von so einem Gymnasium Unterstützung und ein Extrajahr, um beides auf hohem Niveau machen zu können.« Bei dem Kampfgeist, den Alberte hat, braucht sie diese Herausforderung nicht zu fürchten.
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Der erste »Tag des Glücks«
Kinder in Bhutan
Palden Pasang hüpft ausgelassen an der Hand seiner Mutter. Der Siebenjährige hatte schulfrei, als Bhutan am 20. März erstmals den »Tag des Glücks« feierte. In der Hauptstadt Thimphu gab es für die Familien ein Fest mit Gesangs- und Tanzdarbietungen und etlichen Belustigungen für die Kleinen. Premier Jigmi Y Thinley erklärte, an diesem Tag solle man Geschäft und Arbeit vergessen und darüber nachdenken, was man braucht, um glücklich zu sein.
Im Königreich im Himalaja wurde die Idee vom »Bruttosozialglück« geboren. 1972 führte der damalige Monarch anstelle des auf Wirtschaftskraft beruhenden Bruttosozialprodukts als übergeordnete Richtschnur der Entwicklung das »Bruttosozialglück« ein. Sein Sohn, der 32 Jahre alte »Drachenkönig« Jigme Khesar Namgyal Wangchuck, hält an diesem Leitfaden fest. Damit sollen die »drei Grundübel: Unwissenheit, Hass und Habgier« ausgemerzt und ein Gleichgewicht zwischen materiellen Bedürfnissen und spirituellen Werten geschaffen werden. Die Eckpunkte des »Glückskonzepts« sind wirtschaftliche Entwicklung, Schutz von Kultur und Natur sowie gutes Regieren. Wann diese Vorstellungen Früchte tragen, bleibt abzuwarten.
Leben Palden und seine Altersgenossen im »Land der Glückseligkeit« zwangsläufig glücklicher als die in anderen Teilen der Welt? Welchen Maßstab legt man an? Bhutans 725 000 Bürger, davon rund die Hälfte Kinder und Jugendliche, sind genügsamer und bescheidener. Ausreichend Nahrung, Kleidung und ein Dach über dem Kopf stellen die meisten von ihnen zufrieden.
Bhutan gehört zu den am geringsten entwickelten Staaten. Im internationalen Index der menschlichen Entwicklung liegt es an 140. Stelle von 187 erfassten Ländern. Die Lebenserwartung beträgt 68 Jahre und die Alphabetenrate aller über 15-Jährigen 47 Prozent. Nahezu die Hälfte der Bevölkerung lebt an oder unter der Armutsgrenze, die bei einem Monatseinkommen von etwa 16 Euro gezogen wird. Ein Viertel der Kinder geht nicht zur Schule, weil die Eltern dafür kein Geld haben und die Kinder mitarbeiten müssen. 30 Prozent der Mädchen werden im Alter von unter 18 Jahren verheiratet. Häusliche Gewalt gegen Mutter und Kind ist ein soziales Problem. Der Weg zum »nationalen Glück« bleibt mühsam und steinig - auch wenn Palden Pasang den »Tag des Glücks« in Thimphu genoss.
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François lebt bei seinem Onkel
Kinder in Burkina Faso
Das »Land der Aufrechten« im Herzen Westafrikas ist - statistisch gesehen - für Kinder eines der gefährlichsten Länder der Welt. Von 1000 Neugeborenen sterben laut Kinderhilfswerk UNICEF 176, bevor sie das fünfte Lebensjahr erreichen. Nur zwei andere Länder auf der Erde weisen höhere Sterberaten auf. Aber auch hier macht sich Armut für die meisten Kinder durch subtilere Folgen als Krankheit oder Tod bemerkbar.
François ist dafür ein gutes Beispiel. Der 14-jährige Junge lebt ein Leben, das auf den ersten Blick nicht besonders schlecht, ja geradezu langweilig normal zu sein scheint: Er wohnt in einem Einfamilienhaus mit fließend Wasser und Strom in der Hauptstadt Ouagadougou, geht zur Schule, bekommt zu essen und spielt mit Freunden Fußball.
Tatsächlich unterscheidet sich das Leben von François aber in vielem davon, was wir in Deutschland für unsere eigenen Kinder als normal und selbstverständlich erachten. Das Haus, in dem François lebt, gehört nämlich nicht seinem Vater, sondern seinem Onkel. Denn François stammt vom Land und dort gab es keinen Schulplatz für ihn. Seine Eltern standen vor der Wahl, ihn entweder zu Verwandten in die Stadt zu geben oder ihn zur Arbeit aufs Feld zu schicken. Ohne Zweifel haben sie die richtige Entscheidung für ihren Sohn getroffen. Für François, der dadurch von seiner Familie getrennt in einem Haushalt lebt, der ihn weniger aus ehrlicher Hilfsbereitschaft als vielmehr widerwillig aufgrund sozialen Drucks aufgenommen hat, ist das aber wahrscheinlich nur ein schwacher Trost.
Im Vergleich zu vielen anderen Kindern in Burkina kann sich François natürlich glücklich schätzen. Kinderarbeit ist die Norm und nicht die Ausnahme, denn nur wenige Familien können gänzlich auf die Arbeitskraft und das Einkommen ihrer minderjährigen Kinder verzichten. Nur etwa 15 Prozent aller Mädchen und Jungen können wie François eine weiterführende Schule besuchen. Aber sowohl Eltern als auch Kinder versuchen, das Beste aus ihrer Situation zu machen. Daher begegnet man offensichtlichem Elend auch in Burkina seltener. Für die Mehrheit liegen die wahren Kosten der Armut in den kleinen verpassten Chancen, die erst langfristig schwere Folgen zeigen.
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Mateus will nicht mehr nach Hause
Kinder in Brasilien
Jedes zehnte Straßenkind lebt in Brasilien. Allein in Lateinamerika sind es über 40 Millionen, weltweit schätzt die UNO die Zahl der Minderjährigen, die freiwillig oder gezwungen ohne ein Dach über dem Kopf leben, auf 150 Millionen. Einer von ihnen ist Mateus Santos de Oliveira. »Es gab Streit mit meiner Oma. Ich will nicht mehr nach Hause, denn dort werde ich geschlagen und muss arbeiten«, erzählt Mateus. Er zieht das Leben auf den Straßen São Paulos vor, einer Metropole mit Wolkenkratzern und sechsspurigen Verkehrsadern.
Kinder und Jugendliche schlagen sich zumeist in Gruppen durchs Leben. Sie betteln, stöbern im Müll nach Essbarem, stehlen und nehmen oft Drogen. Manchmal leben ihre Eltern selbst auf der Straße, andere Kinder sind nur zeitweilig unterwegs und gehen regelmäßig nach Hause.
Die Angebote von Sozialeinrichtungen gehen oft an den Bedürfnissen der Minderjährigen vorbei. Die Straßenkinder, die meist viel erwachsener als ihre behüteten Altersgenossen sind, wollen keine Ersatzeltern. Sie wollen ernst genommen werden in einer Welt, die Ordnung und Moral zum ersten Gebot der Erziehung macht.
Im Schwellenland Brasilien mit einer sehr ungerechten Einkommensverteilung und hoher Gewaltrate haben Kinder die gleichen Probleme wie Erwachsene, nur stärker ausgeprägt. Ein Drittel der Familien gilt als arm, doch bei den Minderjährigen liegt diese Quote nach UNICEF-Angaben bei 45 Prozent. Unter schwarzen Kindern oder auf dem Land steigt die Armutsquote auf 70 Prozent. In den ärmeren Landesteilen beendet die Hälfte der Kinder nicht einmal die Grundschule. Nach offiziellen Angaben gehen 3,5 Millionen brasilianische Kinder außerhalb des Hauses arbeiten, um das Familieneinkommen aufzubessern.
Auf dem Papier dagegen sieht die Lage der Kinder besser aus. Brasilien verfügt über eine fortgeschrittene Gesetzgebung in Sachen Menschenrechte und das »Statut für Kinder und Jugendliche« schützt sie vor Misshandlung und Ausbeutung. Teilen der konservativen Gesellschaft geht dieser Schutz aber zu weit: Derzeit diskutiert das Parlament eine Gesetzesänderung, um die Strafmündigkeit von 18 auf 16 Jahre zu senken.
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Polina erzählt nicht nur Märchen
Kinder in Griechenland
»Kinder haben die großartige Fähigkeit, in der Gegenwart zu leben«, meint Polina F. Die junge Lehrerin für Neugriechisch arbeitet in einer Gruppe Freiwilliger, die regelmäßig »Kinderwerkstätten« veranstaltet. Bereits vor der Krise richtete sich das Angebot an Vier- bis Zwölfjährige, deren Familien sich einen Besuch im Kindertheater beispielsweise nicht leisten konnten. Inzwischen ist die Zahl der betroffenen Familien stark gestiegen.
»Natürlich spüren auch die Kinder die Krise«, sagt Polina. »Sei es weil plötzlich ein oder sogar beide Elternteile ständig zu Hause sind, während sie vorher gearbeitet haben. Oder weil viele Dinge nicht mehr gekauft werden können, die vorher selbstverständlich waren.«
Doch die Krise spiele bei den Kinderwerkstätten nur am Rande eine Rolle. »Wenn es losgeht, ist alles andere vergessen, beim Malen interessieren die Farben und die Pinsel und sonst nichts«, lacht die junge Frau und erläutert ihr Konzept: »Es geht immer um ein gesellschaftliches Thema, das wir den Kindern in Form eines Märchens nahebringen, beispielsweise Faschismus oder Behinderung oder die Stärke von Solidarität.« Märchen hätten den Vorteil, dass sie den Kindern vertraut sind und eben nicht mit dem pädagogischen Zeigefinger winken. Auf die »Märchenstunde« folgt die eigentliche Werkstatt, in der - passend zum Thema - gebastelt oder gemalt wird. So haben die Kinder nach der Geschichte von der Dosenstadt selbst Häuser aus Dosen gebaut.
Alle Werkstätten sind unentgeltlich und finden in Parks, auf zentralen Plätzen oder in Zusammenarbeit mit selbstverwalteten sozialen Zentren in Athen statt. Letztere teilen mit den Organisatoren die Philosophie einer solidarischen Gesellschaft, in der »einer vom anderen lernt, ohne dass Geld als Vermittler in Anspruch genommen wird«, wie es Polina ausdrückt.
Insbesondere ältere Kinder jedoch »haben die Krise stark verinnerlicht«, weiß die Lehrerin aus ihren Nachhilfestunden für Mittel- und Oberschüler. Der Vater einer 17-Jährigen, der nun für weniger Lohn mehr arbeiten muss, beklage sich zu Hause ständig, dass er nicht mehr könne und die Familie erst bei einem Herzinfarkt verstehen werde, was sie an ihm gehabt habe. Die Tochter belaste das sehr, denn sie fühle sich schuldig. »Sie macht sich Vorwürfe, dass sie Nachhilfe braucht oder das Sprachdiplom nicht im ersten Ansatz geschafft hat, weil beides Kosten verursacht.«
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Auswahl spielt weiter ohne Sibi
Kinder in Italien
Sibi ist 11 Jahre alt und wurde in Rom geboren. Wenn er groß ist, möchte er Fußballer werden und für die italienische Nationalmannschaft spielen - sein großes Vorbild ist Mario Balotelli. Aber das wird wohl kaum möglich sein. Sibi ist Inder, weil seine Eltern vor 15 Jahren aus jenem Land eingewandert sind.
Die italienische Gesetzgebung richtet sich nach dem »ius sangui«: Nur wer italienische Wurzeln hat, kann italienischer Staatsbürger werden. Jeder andere Weg ist kompliziert und voller Hindernisse. So sind in Sibis Klasse fast die Hälfte der Kinder »Nicht-Italiener«. Marokkaner sitzen neben Somaliern, Italiener neben Chinesen. Gemeinsam schwärmen sie von den Taten des schwarzen Fußballstars Mario Balotelli. Er wurde von italienischen Eltern adoptiert und »darf« deshalb in der Nationalmannschaft spielen.
Die Diskussion über ein neues Staatsbürgerschaftsgesetz ist kürzlich erneut entbrannt, weil die Ministerin für Integration Cécile Kyenge, die in Kongo geboren wurde, erklärt hat, sie werde sich für das »ius soli« einsetzen - also dafür, dass Kinder, die in Italien geboren werden, automatisch italienische Staatsbürger sind.
»Niemals«, tönten sofort die rechten und ausländerfeindlichen Kräfte, die zum Teil mit Frau Kyenge in der Regierung sitzen. Ministerpräsident Enrico Letta musste die Wogen glätten und erklären, es handle sich um die persönliche Meinung seiner Ministerin und ein solches Gesetz sei nicht vorgesehen. Aber auch in der Demokratischen Partei, der Frau Kyenge angehört, plädiert man eher für ein »ius culturae«. Danach sollen nur diejenigen in Italien geborenen Kinder die Staatsbürgerschaft erhalten, die »bereits integriert« sind, die Sprache gut sprechen und italienische Schulen besucht haben.
Man befürchtet, so heißt es, dass Italien zu einem »Geburtenland« werden könnte, wohin Frauen reisen, um dort ihre Kinder zur Welt zu bringen. Nur die linke Partei SEL spricht sich geschlossen dafür aus, dass Kinder Italiener werden, wenn sie in diesem Land geboren werden.
Sibi ist diese Diskussion natürlich ziemlich egal. Er spielt Fußball und träumt immer noch davon, in der Nationalmannschaft für »sein« Land Italien zu spielen.
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Kita-Achse Berlin - Budapest
Kinder in Ungarn
Ádám wird bald vier Jahre alt. Er lebt in Budapest. Seine Eltern suchen gerade einen Kindergarten, den er ab 1. September besuchen kann. Kinga ist sechs Jahre alt. Sie ist mit ihrer Mutter aus Ungarn nach Deutschland ausgewandert und lebt seit drei Monaten in Berlin. Obwohl sie schon schulpflichtig ist, darf sie ein Jahr länger in die Kita gehen.
Wohnte auch Ádám in Berlin, hätten seine Eltern nach seinem dritten Geburtstag keine offizielle Mahnung erhalten, die sie auf die neue Kita-Pflicht für Dreijährige aufmerksam macht. Obwohl sich der ungarische Ombudsmann für Menschenrechte an das Verfassungsgericht gewandt hat, um diese Regelung zu verhindern, tritt sie ab September 2014 in Kraft. Da aber die Kindergärten auf das kürzlich verabschiedete Gesetz nicht vorbereitet sind, fehlt es in einigen Landstrichen an Kapazitäten für die Aufnahme weiterer Kinder - und an Geld für den Ausbau der Räumlichkeiten. Es wird also demnächst etwas »kuschelig«: Die Fläche pro Kind wird voraussichtlich von drei auf zwei Quadratmeter reduziert werden.
Wäre Ádám körperlich oder geistig behindert, fände er sich rasch in der Falle von Schein-Integrationsmaßnahmen: Er wäre zwar mit anderen Kindern in einer Gruppe, doch eine angemessene Betreuung wäre nicht gewährleistet, da die Kindergärtnerinnen für Sonderfälle nicht ausgebildet sind.
Sobald alle Unterlagen für den Kita-Gutschein eingereicht waren, durfte Kinga einen Berliner Kindergarten besuchen. In Budapest wäre es ohne besondere Genehmigung kaum möglich gewesen, ein Kind Mitte Februar einschreiben zu lassen, denn die Anmeldezeit ist auf eine oder zwei Frühlingswochen beschränkt und Neulinge werden erst im September aufgenommen. Im Falle Kingas aber wäre es in Ungarn eigentlich kein Unterschied, ob ihre Mutter sie im Februar oder im Mai in die Kita stecken möchte: Wegen Platzmangels wird es Sechsjährigen ohnehin nur in Einzelfällen gestattet, noch ein Jahr länger im Kindergarten zu bleiben. Also müsste das schulunreife Mädchen infolge des neuen Gesetzes ab September in die Schule geschickt werden.
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