- Kommentare
- Meine Sicht
Schlapphüte ohne Mehrwert
Martin Kröger zur Debatte um die Zukunft des Verfassungsschutzes
Wie weiter mit dem Landesamt für Verfassungsschutz? Diese wichtige politische Frage drängte nach dem Aktenschredder-Skandal auch in Berlin gestern erneut auf die Tagesordnung. Indes, Innensenator Frank Henkel (CDU) hat sich in dieser Sache bereits festgelegt: Trotz aller Probleme will er die Behörde erhalten und ihr lediglich frische Mitarbeiter zuführen und die Strukturen modernisieren.
Ob jedoch ein bisschen modernes Auftreten hier, ein bisschen Öffnung dort ausreichen wird, darf bezweifelt werden. Bereits in den 90er Jahren war der damals noch unabhängige Verfassungsschutz skandalumwittert, erst vor zehn Jahren wurde die Behörde massiv umstrukturiert. Dennoch gab es wieder Probleme. Zugespitzt formuliert: Wozu braucht das Land Berlin eine zehn Millionen Euro teure Behörde mit 200 Mitarbeitern, die in Zukunft lediglich so etwas wie eine PR-Agentur oder Landeszentrale in Sachen Extremismus sein soll?
Dass politische Bildung andernorts sicher besser angesiedelt ist, versteht sich von selbst. Überdies trägt die Behörde selber mit ihrem Jahresbericht zum mauen Image bei, denn das Papier besteht zum überwiegenden Teil aus Nachrichtenschnipseln, die die Mitarbeiter aus den Medien zusammengetragen haben und deren Neuigkeitswert gleich null ist.
Die Grünen erwägen deshalb, die Aufgaben des Verfassungsschutzes an den polizeilichen Staatsschutz zu übertragen. Aus historischer Sicht gibt es allerdings viele Gründe dafür, das Trennungsgebot zwischen Geheimdiensten und Polizei nicht aufzuheben. Außerdem war auch die Polizei in Sachen NSU nicht vor Fehlern gefeit - im Gegenteil.
Die Grundsatzdebatte zur Zukunft des Verfassungsschutzes sollte also weitergeführt werden, denn der Nachweis des Mehrwerts der Schlapphüte steht weiter aus.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.